Zum Inhalt springen

Seite:KB AR Rechsteiner Chronik Ms401-043 Seite 42.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

42
10

Im Politischen Stifts St. Gallen Vergrößerung & abnahm des Christenthums hingegen.

[AU 1]     Biß in das neunte Jahrhundert wurde die erste Christliche Religion in ihrer
Reinheit gelehrt und geprediget, das Christenthum blühete im Gottshaus St. Gallen
in vollem Segen, die Wißenschaften und Lehr anstalten haben bey 300 Jahrelang den
besten fortgang gehabt, so das die gelehrtesten Proveßoren im Stift St. Gallen
gewesen, und zu selbiger zeit eine der berühmtesten Akademie in ganz Europa. Das
immer mehr Leut daherzog, durch die Würde genauer Zucht, u. guten unterricht der
[AU 2]Jugend.     Aber so sehr das Stift im zeitlichen, an Reichthum, ansehen u. Gewalt
sich erhebt u. vergrößert hat. Eben so sehr war der Verfall im Geistlichen fach.
Die Verwaltung und Vermehrung der Einkünften war ihr haubt augenmerk, u. gewann
nach u. nach den Vorzug, das sie ihren orden vast darüber Vergaßen, u. gegen Religion
Wüßenschaften u. Schullen, von Zeit zu Zeit gleichgültiger wurden u. nachläßiger,
das sie nicht nur ihren alten ruhm der gelehrtheit verloren, sondern auch zugleich
das Volk in unwüßenheit, Leichtsinigkeit, aberglauben und jrthümer verfallen und
gerathen ließen u. Jahrhunderte darin steken laßen. Die Priester u. das Volk
waren vast gleich unwüsend, den mehrsten war die Bibel ein unbekantes buch.
     Alle verrichtungen der geistli. mußten mit geld bezahlt werden, u. das einfaltige
Volk gab gerne den lesten Bazen her, sie zubereichern. Für allerhand Sünden erhielt Jeder-
man in Gottes Namen für geld verziehung oder ablaß, dießer wurde bis zur krämmer-
rey erhoben, kaum dörfte die vernunft gegen die Lehren der römischen kirchen ihr
Haupt empor heben, der Päbstlichen erfindungen, Jrrthümer, und befehlen waren jmmer
mehr, derselben einführung und neuen Ceremonie war kein ende. wie Hr. Decan Pfr.
Bischofberger in seiner Ap. Cronic grundlich geschreiben. pag.
man habe vor Zeiten von der Fürbit und verdienst der Heilligen, mes- u. Todten-
Dienst, u. anderen Schull- u. kloster lehren nichts gewußt, welche erst lange hernach
mit vielen andern Ceremonie entstanden, u. aufbebracht worden, durch allerhand
ordens Leut, die auß allen Nazionen in das Kloster St. Gallen von Zeit zu Zeit
gekommen, und der Eine das, der andere diß gebracht habe“ bis die reine Lehre
des Evangely je länger je mehr verdunckelt, und das Licht der Wahrheit fast
verloschen, und denen Leuten mehr nach geld u. Gut getrachtet worden, mit Vor-
geben, das durch vieles opfern, meßleßen laßen, Wahlfahrten, Allmosen
geben, Verschenckung u. vergabungen an Stifter u. Klöster, Vergebung der Sünden
und ewige Seligkeit zu erlangen sey. Das Volk mußte alles Glauben was
die Kirchen Lehrte und vom Pabst herkam u. befohlen wurde, das unwüsenheit
u. aberglauben groß u. allgemein wurden. Es entstuhnden immer mehr ordens-
leut, die darvon lebten, und das Einkommen der Klöster also suchten zuvermehren.
     Das war der Religions Zustand durch alle zeiten hindurch, unsrer in Gott-
ruhenden Voreltern, von anfang waren sie Heyden *) abgöttisch, abergläubig, und
unwüßend von Gott u. Göttlichen Dingen, nach deme ihnen das Licht der Wahr-
heit und des Evangely einigermaßen geleuchtet, ist daßselbige ihnen durch
das Pabsthum wieder verfinsteret und verborgen worden. Das sie also
—————
[1014] *) Das Heydenthum erst ganz abgeschafft worden. W.C. pag.137.      Jahr-
in unßerem Land, so starck war die auch der unglauben
das Volk hieng mit einfaltigem Herzen an dem Glauben ihrer Vätter.

  1. Zu dieser zeit wurden die kinder bey der Taufe in das Waßer eingetaucht im Kloster.
  2. auß Walter Klaren Cronic