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Gallus und seine Jünger machten die Gegend urbar.
Von anfang hate Gall mit seinen Jüngern der grosen Wildnis [arx 18]
wenig Boden abgewinnen könen; aber nach dem er jezt dieselbe Theils
von dem Pfarrherrn Willimar, und von Talto dem Kämmerer des
Königs, und auch vom König selbst, durch das Vorwort des Gunzo
und der Frideburg, als ein eigenthum solche geschenckt bekomen hatte,
und die Zahl seiner Jünger auf zwölf vermehret, und der Bischof Johan
als auch der Zent Graf von Arbon ihme Arbeiter zusandten, gieng
der anbau so gut von statten, das man da wo bis dahin nur
wilde Thiere hauseten, Jetzt einen Acker, ein Bethhaus, und mehrere
Hütten sah, und eine Straße nach Arbon, deßen Zelle mit bewohnte
orten in die erste Verbindung setzte. Durch diesen guten Fortgang
aufgemuntert gewin Gall seine Wildnis so lieb das er dieselbe an
die Abtey Luxeul zu vertauschen sich weigerte. In keinem Fall
wollte er das Bekehrungswerk verlaßen das er an dem Heydnischen,
oder fast in Abgötterey zurük gesunckenen Christenvolke dieß - und
jenseits des Bodensees angefangen hatte. Weit herum suchte er die
Leute in ihren Wohnplätzen auf. *) lehrte Predigte, sties die Bilder
der Götzen um, und zog das Volk von den Dienste deßelben
mit einer Macht ab, die nur der besitzt der in dem allgemeinen
Rufe eines Wunderthäters und tugendhaften Manns stehet.
Darzu unterrichtete er seine Jünger, die gewüsermaßen eine gute
Pflanzschule von Glaubens Predigern und Volkslehrern waren.
Sie pflantzten ein Köhlgarten, weideten eine kleine Herde, bedienten [G.M.]
sich selbst gemachter Fischer netzen, und felten Gewild, hiedurch
zähmten sie das Land. Nachdeme Gall 26 Jahr lang sich auf [arx 19]
solche weise um dieses Land verdient gemacht hatte, Starb er 95 **)
Jahr alt, an einem Fieber in Arbon, deßen Leichnam wurde
[640] nach seiner Zelle gebracht und daselbst in gegenwart des Bischof-
es Johan, und deß zuströmenden Volkes eingesenkt. Dahin als
zu dem Grabe eines Heilligen wurden bald von allen Orten
her Wallfahrten angestelt, opfer gebracht und Vergabungen gemacht.
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[AU 1]*) Diese Beschreibung zeiget Wohnplätze an, und das zuströmen des Volks,
also muß bey ankunft Gallo keine durchgehende Wildnis mehr ge-
wesen seyn, er hat eine Wildnis gesucht und sich in dem grosen Forst
Arboner Wald nidergelasen, und da geprediget, folglich müßen in
der Gegend Leut gewohnet haben denen er Predigen können.
**) Alle die mit ihme auß Irland kommen seyen über 90 Jahr alt worden.
- ↑ Fortsezung hier pag
Johann Bartholome Rechsteiner: Beschreibung der Gemeinde Speicher. , 1810, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KB_AR_Rechsteiner_Chronik_Ms401-021_Seite_20.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2024)