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Seite:Köster Alterthümer 191.png

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in den finstersten Theil des Jahres fällt. Auch die Sitte des gegenseitigen Geschenke-Gebens war schon bei den alten Römern um dieselbe Jahreszeit herrschend, nämlich in den Saturnalien, welche der Erinnerung an das goldene Zeitalter gewidmet waren. Allein wie kommt es, daß der Christbaum vorzugsweise dem protestantischen Norddeutschland eigen ist, und namentlich dem Sachsenlande? In England (wo die Kinder zu Weihnacht Zweige von Hülsen oder Stechpalmen tragen), deßgleichen in Frankreich und Italien, war er bisher unbekannt: erst in neuerer Zeit soll er in England durch die Königin, in Frankreich durch den Kaiser, in Rom durch die daselbst wohnenden Deutschen aufgekommen sein: ja selbst unter dem Kriegstumult in der fernen Krimm hat er sein friedliches Licht verbreitet. Daß er aus dem Mittelalter stammt, ist gewiß; und natürlich wurde er besonders in solchen Gegenden herrschend, wo der perennirende Tannenbaum sich häufig vorfand. Allein bei näherer Betrachtung sieht man, daß vom Mittelalter her eine doppelte Weihnachtsfeier sich in Deutschland geltend gemacht hat: im Süden durch die Heilands-Krippen in der Kirche, welche von Rom herkamen; im Norden hingegen durch den Christbaum im Familienkreise, welcher heidnischen Ursprungs zu sein scheint. Es verhält sich damit also: Die heidnischen Völker des nördlichen Europa zündeten um die Zeit der Sommer-Sonnenwende die noch jetzt nicht ganz verschwundenen (Johannis-) Feuer an; und eben so begingen sie die Winter-Sonnenwende durch den lichterreichen Tannenbaum. Nun scheinen die Bekehrer Deutschlands, ein Bonifacius, Anscharius u. A. jenem Naturfeste eine christliche Deutung gegeben zu haben; ein Verfahren, wozu der umsichtige Pabst Gregor der Große ausdrücklich aufgefordert hatte. Wenn nämlich das heidnische Winterfest das Herannahen des Frühlings feierte: hat nicht auch Christi Ankunft auf Erden gleichsam einen Weltfrühling gebracht, da es hieß: „das Alte ist vergangen; siehe es ist Alles neu worden“ (2 Kor. 5, 17)? Eine merkwürdige Spur dieses Uebergangs liefert der Umstand, daß in Dänemark, Norwegen und Schweden das Weihnachtsfest noch jetzt den

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Köster: Alterthümer, Geschichten und Sagen der Herzogthümer Bremen und Verden. Stade: In Commision bei A. Pockwitz, 1856, Seite 191. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:K%C3%B6ster_Alterth%C3%BCmer_191.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)