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Seite:Jahresbericht der Schlesischen Gesellschaft 097 006.jpg

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gab, die aufgrund einer Vereinigung von ästhetischer und historischer Betrachtung die Entwicklung der Kunst darstellte. Obwohl nun Förster die ästhetische Auffassung keineswegs fern lag, so ist es doch begreiflich, daß ihn als Philologen solche Stoffe besonders anzogen, bei denen auch die literarische Überlieferung in Betracht kam. So hat ihn lange Zeit das Laokoonproblem beschäftigt, dessen Lösung von der Deutung einzelner antiker Stellen abhing; auf der Görlitzer Philologenversammlung im Jahre 1889 hielt er zwei Vorträge darüber und faßte zuletzt im Jahre 1914 seine Ergebnisse zusammen. Hier haben inschriftliche Funde das Hauptergebnis seiner Forschungen durchaus bestätigt und die Entstehung der Laokoongruppe um die Mitte des ersten Jahrhunderts v. Chr. sicher gestellt. In der Mitte zwischen Archäologie und Mythologie steht sein 1874 erschienenes Buch: „Der Raub und die Rückkehr der Persephone“. Auch hier handelt es sich um einen von der Literatur vielfach verherrlichten Mythos, und das Buch befaßt sich besonders mit seiner dichterischen und monumentalen Behandlung; auch hier bewährt sich Försters Begabung, ein großes Material zu sammeln und zu ordnen.

Von der alten Kunst führte ihn der Weg zur modernen. Sein römischer Aufenthalt wurde der Anlaß zu den Farnesinastudien, in denen er jene wundervollen, aber nicht ohne Weiteres verständlichen Fresken der Hochrenaissance mit Hilfe der antiken Schriftsteller erläuterte. Besonders aber boten ihm die letzten Jahrzehnte seiner hiesigen Tätigkeit die Anregung, den Lebensschicksalen und der Wirksamkeit schlesischer Künstler nachzugehen, die mehr oder weniger verschollen waren, wie Gareis und Blaschnik, oder Festreden brachten ihn auf Stoffe wie den preußischen Adler, Tizians Himmlische und irdische Liebe, die er aus der antiken Mythologie deutete, oder Schwinds Rekonstruktion der Philostratischen Gemälde.

Diese wissenschaftliche Arbeit ist so reich und weitsichtig, daß sie allein auszureichen scheint, ein ganzes langes Menschenleben zu füllen. Das war aber bei Förster keineswegs der Fall; er war kein Stubengelehrter, sondern es drängte ihn zu praktischer Betätigung, und vielleicht bewunderten ihn die am meisten, die es verfolgen konnten, wie er eine Menge verschiedener Geschäfte neben seiner Gelehrtenarbeit erledigte, wie er mehrere Eisen nebeneinander im Feuer hatte, immer umsichtig und pflichttreu, mit genauer Kenntnis der Personen und Sachen. An erster Stelle steht da seine akademische Lehrtätigkeit, die von ungewöhnlicher Ausdehnung war: es gibt wenige Gebiete im Bereiche seiner Wissenschaft, über die er nicht einmal gelesen hat. Dazu kam seit dem Jahre 1899 die Direktion des archäologischen Museums, d. h. ein vergeblicher Kampf um bessere Unterbringung der in kellerähnlichen Räumen verkommenden Sammlung. In seltenem

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Kroll: Richard Foerster (Nachruf). , Breslau 1919–1924, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahresbericht_der_Schlesischen_Gesellschaft_097_006.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)