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Seite:Hermes 9 341.png

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ist im Interesse der attischen Komödie die Zeit des Chionides in die Höhe je nach Belieben gerückt, und dann sind je nach Belieben schemenhafte Komiker erfunden worden, die die Lücken ausfüllten; das ist die gleiche Fabrik, welche den sikyonischen Tragiker Epigenes durch sechzehn Namen mit Thespis verknüpfte, dieselbe Fabrik, welche die Genealogien von Orpheus und Musaios zu Homer und Hesiod herab erschwindelte, und der Unstern, der über dem Interpolatorengeschmeiß zum Glücke waltet, die Borniertheit, die es nicht einmal fertig bringt eine Namenreihe ohne Albernheiten zu erfinden, waltet auch hier: wie der Verfertiger der Genealogie im dritten Capitel des Lucas immer wieder einen Joseph oder Matthias in seinen Stammbaum einreiht, wie Alexander Polyistor nicht einmal die paar albanischen Könige, die er erfand, mit verschiedenen Namen versehen konnte, so hat der Vater dieser Komiker seinen Euetes, seinen Euxenides, seinen Eukrates schlecht und armselig erfunden. Denn der Eukrates, dessen Vitruvius noch vor Chionides gedenkt (in der Einleitung zum sechsten Buche) gehört offenbar in diese Gesellschaft und gibt uns ein willkommenes Indicium für das Alter der Fälschung.

So bleibt die Geschichte der attischen Komödie vor Kratinos in unaufgehelltem Dunkel; Irrlichter nur wollten uns von dem sichern Boden geschichtlichen Wissens auf das Glatteis der Hypothese oder gar in den Sumpf der Hallucination locken. Auch kein Punkt blieb uns, von dem eine Expedition in das unbekannte Land etwa ausgehen könnte. Wir sehen nur, dass wir nichts wissen können. Wem das das Herz verbrennen will, der mag sich nach Gutdünken das Licht einer neuen schönen Hypothese anzünden; für die Wissenschaft existirt seine Combination so wenig, wie die des Theophrastos oder Eratosthenes, denn wenn er auch das Wahre fände:

εἰ καὶ τὰ μάλιστα τύχοι τετελεσμένον εἰπών,
αὐτὸς ὅμως οὐκ οἶδε· δάκος δ’ ἐπὶ πᾶσι τέτυκται.

ULRICH von WILAMOWITZ-MOELLENDORFF.
Empfohlene Zitierweise:
diverse: Hermes. Zeitschrift für classische Philologie Bd. 9 (1875). , 1875, Seite 341. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermes_9_341.png&oldid=- (Version vom 25.2.2024)