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Seite:Hermes 3 259.png

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Emil Hübner: Hermes. Zeitschrift für classische Philologie Bd. 3
Ein Decret des L. Aemilius Paulus

Coilius (270); von der Consonantengemination ist kein Beispiel vorhanden[1]. Allein auch Münzen sind ja wie Urkunden immer conservativ in der Bewahrung des alterthümlichen gewesen und etwas hinter der Gegenwart zurückgeblieben. Dagegen stellen sich im Gesammteindruck als unserer Urkunde gleichartig heraus die wenigen sicher datierbaren Aufschriften aus dem sechsten und dem Anfang des siebenten Jahrhunderts, die wir haben[2], einschliesslich der Dedicationen des Mummius (N. 542–546), der Grenzsteine von Ateste und Patavium (547–549) und der Meilensteine von Hadria (550) und Polla (551), trotzdem dass diese schon um ein halbes Jahrhundert jünger sind als unsere Tafel, nebst den übrigen Inschriften der gracchischen Zeit (552–562). So sprachen und schrieben, wird man also wohl sagen dürfen, die hohen Beamten, welche die Blüthe der Bildung vertraten, von den Zeiten der Griechenfreunde Paulus und Fulvius Nobilior an bis herab auf die Zeiten der Gracchen. Auch das Decret des pagus Herculaneus vom J. 660, also fast um ein ganzes Jahrhundert jünger[3], zeigt im wesentlichen den gleichen sprachlichen Charakter; die Inschriften der magistri von Capua aus der Mitte des siebenten Jahrhunderts dagegen[4] wiederum im ganzen einen alterthümlicheren.

Das Decret des Paulus ist zu kurz und steht noch zu vereinzelt da, als dass man Bemerkungen über die Entwicklungsphasen von Sprache und Schrift der Römer von solcher Tragweite darauf hin für allseitig erwiesen ansehn könnte. Allein denkt man an die gleichzeitige Höhe der Litteratur, an Plautus, Terenz und Ennius und deren doch auch im ganzen mit geringen Archaismen überlieferten Text, so wird man geneigt sein, was früher bei diesen Werken auf die leise nachbessernde Hand der folgenden Jahrhunderte geschoben worden ist und nicht ohne Grund geschoben wurde, vielmehr als den Ausdruck damals schon erreichter Höhe anzusehn. Auf die Unterschiede des mündlichen und schriftlichen Ausdrucks für Poesie und für Prosa, für den curialen Stil der Acten und Depeschen des Senats und für die tägliche Sprache der Gebildeten – Unterschiede, welche man für das Latein der vorklassischen Periode fast als nicht vorhanden anzusehen


  1. Dagegen Cina 272, Reni 300, Sula 273, Varo 256.
  2. C. I. L. 1, 530 bis 540.
  3. C. I. L. 1, 571.
  4. C. I. L. 1, 563 bis 575.