Drusilla damals bereits geboren gewesen sein. Endlich und vor allem ist es physisch unmöglich in dem Zeitraum vom 6. November 16 bis Anfang 18 drei successive Geburten derselben Mutter anzusetzen. Ein Fehler also steckt auf jeden Fall in dem einen oder dem andern der beiden Berichte; und in der That liegt bei Tacitus die Berichtigung nahe genug. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Germanicus seine hochschwangere Gemahlin der stürmischen Ueberfahrt[1] und der beschwerlichen Winterreise ausgesetzt haben soll, um dann auf Lesbos so lange mit ihr zu verweilen, bis sie ihn auf der Weiterreise begleiten konnte. Vielmehr hat es alle Wahrscheinlichkeit, dass er die Gattin noch in der besseren Jahreszeit voraussandte, um das Wochenbett auf Lesbos abzuhalten; und unter dieser Voraussetzung kann die Geburt der dritten Tochter sehr wohl Ende 17 fallen, Germanicus Ankunft auf Lesbos aber und die Weiterreise der beiden Ehegatten in die ersten Monate des J. 18. Allerdings ist dies Resultat nicht auf dem Wege der Interpretation zu gewinnen, da Tacitus, wenn er diesen Sachverhalt darstellen wollte, wenigstens ediderat hätte schreiben müssen; aber es ist ein leichter Irrthum, dessen gleichen bei Tacitus keineswegs selten sind.
Wenn also Julia am Ausgang des J. 17 geboren wurde, so bringt dies in Verbindung mit dem continuum triennium Suetons die Geburt der Drusilla auf die letzten Monate des J. 16 und die der Agrippina auf den 6. November 15. Dies stimmt sehr wohl zu dem, was über Zeit und Ort von Drusillas Geburt anderweitig feststeht, und ebenso zu den über die Ereignisse des Jahres 15 vorliegenden Berichten. Aus diesen erhellt, dass am Ende des Sommerfeldzugs, etwa im September oder October, Agrippina sich in dem Lager bei Xanten befand und als die falsche Alarmnachricht über Caecinas Niederlage dort anlangte, sie durch ihre Energie das vorzeitige Abbrechen der Rheinbrücke verhinderte[2]; und dies erklärt, weshalb sie ihr Wochenbett in diesem Jahre nicht in ihrer gewöhnlichen ziemlich entfernten Residenz bei Coblenz, sondern in dem näher gelegenen Köln abgehalten hat.
So weit stimmen also die überlieferten Nachrichten in der Art zusammen, dass Suetons kritischer Bericht sich durchaus und
Emil Hübner (Hrgs.): Hermes. Zeitschrift für classische Philologie. Weidmannsche Buchhandlung, Berlin 1878, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermes_13_255.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)