Emil Hübner (Hrgs.): Hermes. Zeitschrift für classische Philologie Die Familie des Germanicus | |
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6. Gaius der jüngere, der spätere Kaiser, geboren 31. August 765/12 und zwar, wie Sueton (Gai. 8) mit einer bei unsern Gewährsmännern nur zu seltenen gründlichen Kritik nachweist, weder in Tibur noch im Rheinland, sondern, wie es die acta der Zeit angaben, in Antium. Bekanntlich begleitete dieser jüngste Sohn die Mutter, als sie dem Vater in das Lager folgte, und wuchs im Lager auf; daher scheint die Meinung sich früh festgesetzt zu haben, dass er im Lager geboren sei. Wir finden sie in den unter seiner Regierung entstandenen Versen, die Sueton a. a. O. mittheilt, ebenso bei dem älteren Plinius und, ohne Zweifel aus diesem, bei Tacitus[1], was wieder eine Warnung ist dessen Autorität in diesen Untersuchungen nicht für unfehlbar zu halten.
Bald nach Gaius Geburt, zu Anfang des J. 766/13, verließ Germanicus Rom und übernahm das Commando am Rhein: qui res Augusti memoriae mandarunt, sagt Suetonius a. a. O., Germanicum exacto consulatu in Galliam missum consentiunt iam nato Gaio. Seine Gattin blieb zunächst in Rom und begab sich erst im Mai des J. 767/14 zu ihm, wie dies hervorgeht aus dem von Sueton ebendaselbst mitgetheilten, von dem Kaiser Augustus wenige Monate vor seinem Tode an sie gerichteten Briefe: puerum Gaium XV k. Iun. [= 18. Mai] si dii volent ut ducerent Talarius et Asillius, heri cum iis constitui. mitto praeterea ex servis meis medicum, quem scripsi Germanico si vellet ut retineret. valebis, mea Agrippina, et dabis operam, ut valens pervenias ad Germanicum
- ↑ ann. 1, 41: infans in castris genitus. Ohne Zweifel ist dies nichts als der kurze Auszug der von Sueton aufbehaltenen plinianischen Auseinandersetzung über Gaius Geburtsort, welche sicher in der germanischen Kriegsgeschichte desselben eben bei der Schilderung der Meuterei des J. 14 gegeben worden ist. Bekanntlich citirt Tacitus den C. Plinius Germanicorum bellorum scriptor bald nachher (I, 69) als Gewährsmann für Agrippinas Auftreten im Lager bei Xanten.
Gedankenlosigkeit ist vielleicht noch ärger. Wäre, wie Bergk annimmt, dieser Knabe 764 sechs- bis siebenjährig verstorben, so ward er 758 oder 759 geboren und war im J. 760 am Leben. Wie verträgt sich jenes mit dem Geburtsjahr Neros? und wie dieses damit, dass auf dem Bogen von Pavia dieser Gaius nicht erscheint, wohl aber seine beiden hienach jüngeren Brüder? Und endlich: wenn Plinius dem Gaetulicus Schuld giebt, dass er die Geburtsorte der beiden gleichnamigen und nur um ein Jahr im Alter verschiedenen Brüder verwechselt habe, so ist das begreiflich; sein Corrector aber legt ihm die Albernheit in den Mund, dass Gaetulicus die Geburt des Jüngeren darum fälschlich nach Tibur versetzt habe, weil der Aeltere dort gestorben ist.
Emil Hübner (Hrgs.): Hermes. Zeitschrift für classische Philologie. Weidmannsche Buchhandlung, Berlin 1878, Seite 249. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermes_13_249.jpeg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)