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Seite:Harz-Berg-Kalender 1933 046.png

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     Als nach dem großen Brande von 1844 fast die Hälfte der Bergstadt Clausthal in Asche gelegt war, gab es für die Bergmusiker auf lange Zeit nichts zu tun, da man an anderes als an Musik zu denken hatte. Um nun für den dadurch verlorengehenden Verdienst einigermaßen Ersatz zu haben, erbaten und erhielten sie vom Berg- und Forstamt wiederholt einen vier- bis sechswöchigen Urlaub, um Konzertreisen unternehmen zu können.

     Mit der Bescheinigung des Berg- und Forstamtes, daß das Harzer Bergmusikkorps zu einer Konzertreife beurlaubt sei, wurden ihre erprobten Leistungen zugleich der verdienten Beachtung empfohlen. Ihre Reisen gingen vorwiegend nach Hannover, Bremen, Lübeck und Berlin, aber auch nach Rußland und England. Dabei kamen sie auch an den Hof des kunstsinnigen Großherzogs Friedrich Franz Ⅱ. von Mecklenburg-Schwerin, wo sie längere Zeit hindurch konzertierten und öfter zur Tafelmusik befohlen wurden.

     Ganz besonders erfreute sich das Bergmusikkorps von jeher der Gunst des Kgl. Hannoverschen Hofes, der mehrfach in Clausthal weilte. Die Bergsänger mit ihrer schönen Musik waren bei der Kgl. Familie sehr beliebt, von der sie bei ihrer Anwesenheit in Clausthal stets hinzugezogen wurden. Bei diesen Gelegenheiten war es ganz besonders der Bergsänger Schaper, der mit seiner wundervollen Tenorstimme den König erfreute. Bekannt ist seine Bewerbung um die Weggeld-Erhebestelle in Erbprinzentanne vor Zellerfeld, als er bei der Bergmusik in den Ruhestand versetzt wurde. Er schmetter dem König Georg Ⅴ., der von Goslar nach Zellerfeld herauffuhr, auf offener Straße ein herrliches Lied entgegen und erhielt daraufhin vom König die Zulage auf die erbetene Stelle.

     Auf den Musikdirektor Metzger, der Ende März 1865 starb, folgte am 10. April 1866 der Musikdirektor Kaltenborn, der aus Homburg kam und sich eines guten Rufes als Cornet a Piston-Bläser erfreute. Zu seiner Zeit gab die Bergbehörde eine neue Instruktion für die Bergmusiker heraus, in welcher bestimmt wurde, daß der Direktor in allen Fällen, wo sämtliche acht Musiker gleichzeitig beschäftigt waren, den doppelten Teil der Einnahmen erhielt. Nach vier Jahren nahm Direktor Kaltenborn seinen Abschied und wanderte mit seiner Familie am 5. März 1870 nach Amerika aus.

     Nach einer Pause von 2½ Jahren, in welcher die Direktion dem Bergmusikus Koch übertragen war, kam Musikdirektor Dittrich nach Clausthal, der nach seiner ersten Dienstzeit in Hannover über 20 Jahre als Regiments-Musikdirektor in englischen Diensten, namentlich in Indien und Neuseeland, gestanden hatte. Er übernahm die Leitung des Clausthaler Bergmusikkorps am 15. September 1873 und hat sich großes Verdienst um dasselbe erworben. Unter ihm wurde das Musikkorps eine künstlerisch geschulte Kapelle, deren Spiel die Kritik des verwöhnten Ohres zu vertragen vermochte. Er starb am 9. Juni 1899 im 76. Lebensjahre, nachdem er fast 26 Jahre mit Ernst und Strenge, auch gegen sich selbst, zu Hebung des Musiklebens im Oberharz erheblich beigetragen hatte.

     Dittrichs Nachfolger wurde im Herbst 1899 der Kgl. Kammermusiker Mundry aus Wiesbaden, der vom Oberbergamt unter den gleichen Vertragsbedingungen angestellt wurde wie Dittrich. Sein erhalt betrug monatlich 140 Mk. Die künstlerischen Leistungen des Bergmusikkorps waren unter seiner Leitung von größter Vollendung. Zu den Sinfoniekonzerten, die schon sein Vorgänger eingeführt hatte, zog er fremde Solisten zu, insbesondere Sängerinnen. Mundry verließ aber 1904 schon wieder Clausthal, um die Leitung der Stadtkapelle in Göttingen zu übernehmen.

     Nach seinem Abgange übertrug man die Leitung des Bergmusikkorps dem Musiker Gösch aus Wiesbaden, der jedoch schon nach einem Jahre Clausthal verließ, um in Merane in Sachsen als Orchester-Dirigent zu wirken.

     Am 1. Oktober 1905 wurde der letzte Dirigent Peter, der längere Zeit in Bad Wildungen tätig war, an die Spitze des Clausthaler Bergmusikkorps berufen. Er hat uns mit dem Bergmusikkorps und den von ihm geleiteten Vereinen sowie dem nach dem Kriege gegründeten Clausthaler Streichquartett eine Reihe auserlesener Konzerte geboten, die sonst Orte in der Größe Clausthals nicht aufzuweisen haben.

     Auch der Clausthaler Volksbildungsverein hatte eine Reihe dieser Konzerte in sein Programm aufgenommen. Die Sinfoniekonzerte setzte Peter unter Hinzuziehung hervorragender Künstler fort. Außer Konzerten und Oratorien wurden Szenen aus Opern zu Aufführung gebracht, was der gewaltige Rotenschatz des Bergmusikkorps bezeugt. Der Männergesangsverein zog ebenfalls zu seinen Aufführungen das Bergmusikkorps heran und führte größere Werke mit Orchester auf. Auch die Clausthaler Gesangsvereine und der nach dem Kriege aufstrebende Theater-Verein nahmen stets die Hilfe des Bergmusikkorps für größere Aufführungen in Anspruch. Bei festlichen Veranstaltungen der Bergakademie fehlte das Bergmusikkorps nie. Wie der Dirigent, so waren auch die anderen Mitglieder des Korps Leiter von Gesangsvereinen und Berghornistenkorps und entfalteten auch nach dieser Seite hin eine rege, das Musikleben fördernde Tätigkeit.

     Leider ist infolge des Krieges und der nachfolgenden Geldentwertung, sowie der Einstellung des Bergbaues in Clausthal-Zellerfeld, das Bergmusikkorps, das schon bis zum Jahre 1930 auf drei Mitglieder zusammengeschmolzen war, nun gänzlich aufgelöst worden. Das Eingehen dieser Jahrhunderte alten Einrichtung, die als Träger der Pflege guter Musik im ganzen Oberharz sehr geschätzt wurde, bedeutet einen großen Verlust namentlich für die Bergstadt Clausthal-Zellerfeld, deren Bevölkerung mit dem Bergmusikkorps aufs innigste verwachsen war.


Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Allgemeiner Harz-Berg-Kalender für das Jahr 1933. Piepersche Buchdruckerei, Clausthal 1932, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Harz-Berg-Kalender_1933_046.png&oldid=- (Version vom 16.9.2018)