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Seite:Harz-Berg-Kalender 1929 062.png

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und daß die Freunde von Laupen und Murten andere geworden, noch nicht erfahren. Als der Feind den Toren nahte, opferten die Berner den Freunden die alte Verfassung, lösten die eherne Kette, die alles zusammenhielt, auf der das Vertrauert ruhte. Als der Sturm wütete, schraubte man das Steuerruder ab, fuchte ein neues, sägte Masten ab, setzte provisorisch neue ein, bis man aus Frankreich neue bekäme. Da gab es großen Riß und Jammer, es ging ein Schrei durchs Volk wie in einem Schiffe, wenn es einen Leck bekommt und schäumendes Meereswasser stromweise eindringt. Das Vertrauen zu der Schiffsmannschaft, den Offizieren des Schiffes ging verloren, und das Geheul begann, man sei verraten und verkauft. Es war so lange geschrien worden, die alte Regierung habe das Vertrauen des Volkes verloren, daß sie es am Ende selbst glaubte und ihre Machtvollkommenheit in der gefährlichsten Zeit dein Volke zustellte. Da erst verlor das Volk das Zutrauen zu der Regierung; sein Instinkt sagte ihm, was kommen müsse, wenn in der Nähe der tobenden Brandung die erfahrenen Hände vom Steuer lassen; es schäumte vor Weh’ und Wut. Der alte Bernermut, der durch so manche Mauer gebrochen, zu Schlacht und Hochzeit mit gleicher Freudigkeit gegangen, loderte hoch auf, drängte dem Feinde entgegen. Es waren noch die Söhne der Berner, welche, nachdem sie zwei große Schlachten geschlagen, in einem Tage in die dritte sich stürzten und in der Birs ober auf dem Kirchhof zu St. Jakob den Tod fanden. Wenn damals dreißigtausend Berner, in Kriegsglut entbrannt, losgelassen worden wären auf die zerstreut liegenden Feinde, denen eine bedeutende Zahl erst nachrückte, Bern hätte gesiegt oder wäre erst nach großartigem Heldenkampfe gefallen. Aber Gott wollte es nicht. Als das Vertrauen gebrochen war, der Kriegsmut in Mißmut, in heillosen Wirrwarr sich verwandelt hatte, kurz, als alles war, wie die Franzosen wollten, da schlugen sie los, treulos, ehe der Waffenstillstand abgelaufen war. Als die Franzosen losschlugen, zogen die beiden Eidgenossen heim und ließen Bern im Stich. Doch so gleichsam zum Trost schrieben sie noch: Ihr Sinn und Gedanke sei stets gewesen, mit fester Schweizertreue, mit freudiger Aufopferung alles Blutes bis auf den letzten Mann ihren lieben Eidgenossen von Bern zur Hand und Hülfe zu stehen, wie sie denn davon bis auf diese Stunde sattsamen Beweis von sich gegeben hätten. Diese Glarner und andere hörten noch den Kampf von Fraubrunnen her, sie machten, daß sie fortkamen. Nun mit aller Übermacht die Feinde auf das überraschte, verlassene Bern, ein schmählich Opfer, mit dem die Eidgenossen die eigene Sicherheit zu erkaufen meinten. Und wie ging es ihnen? Man kann sich die unaussprechliche Verwirrung, welche in Bern herrschen mußte, als es hieß: „Feinde ringsum“, kaum denken; in Bern war nie ein Feind gewesen; fast hundert Jahre lang hatte man in Frieden gelebt, und als man die letzten Male kriegte, war es weit unten im Aargau und in den freien Ämtern; von Kanonendonner hörte man nichts und dazu tönte der Name Franzose so fürchterlich; alle Greul dachte man in ihm zusammengefaßt. Die besten Männer standen vor dem Feinde, die erfahrenen Leiter der Republik hatten die verwirrte Stadt verlassen, suchten draußen Kampf und Tod. Das alte Haupt der Republik, Steiger, der greise Held, stand unten im Grauholz: als sei er der sichtbar gewordene Heldengeist des alten Berns, gebot er Achtung fernerhin dem heranstürmenden Feinde. Ungewohnte Hände hatten die Zügel des Regiments ergriffen, und Botschaften, unglückliche, unsichere, kamen zu allen Toren ein, von unten her; jede erzeugte Maßregein und Befehle, die, kaum gegeben, wegen neuen Berichten widerrufen wurden. Da gegen Morgen am 5. März erschienen die sichersten Botschafter, die bei Laupen und Neueneck geschlagenen Truppen. Da ertönten die Glocken der Stadt, läuteten Sturm, riefen zum Streit, und nicht umsonst. Im Sturmschritt eiten Truppen durch die Stadt, die kühnen Studenten schlossen sich an, Weiber, Greife ergriffen Waffen, eilten nach. Wenige, welche die Waffen tragen konnten, aber derselben kaum kundig waren, blieben zurück, besetzten die Wachen und hüteten mit klopfendem Herzen die Stadt. Draußen ging’s vorwärts, den rasenden Feinden entgegen. Einer riß den anderen hin, der rechte


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