Ahnung von nahen Unglück empfand. Alles
war still, und die Bedienten schliefen
bereits. Plötzlich ließ sich unten im Hause
ein schreckliches Getöse und ein verwirrtes
Geschrey hören: „Mord! Mord!“ –
Man setze sich in den Fall unseres Capitains!
Muth ohne Urtheilungskraft und ohne Geistesgegenwart
würde ihn verleitet haben die
Treppe hinunter zu stürzen, um zu Hülfe,
eigentlich aber ins Verderben zu eilen. Der
Capitain aber, was that er? – Nachdem
er den Kronleuchter im Saale mit brennenden
Lichtern besteckt, und dadurch das Cabinet
auf seinen Lehnstuhl zurück, eine
Windbüchse in der Hand, und die andre
an den Stuhl gelehnt. Noch vernahm er
den Jammer, der von unten herauf erscholl.
Endlcih ward es still, die Thüre des Saals
öffnet sich, ein Mörder mit blutiger Keule
tritt herein. Das unvermuthete Schauspiel
so vieler Lichter, die Stille, das Menschenleere,
macht ihn stutzen; doch setzt er seinen
Schritt fort. In der Mitte des Saals
faßt ihn aber der Capitain aufs Korn –
hin stürzt er. Ein zweyter erscheint. Das
blendende Licht, der getödtete Vorgänger –
er fährt zurück, allein ehe er noch aus der
Thür ist, liegt er ebenfalls hingestreckt.
Nun eine Flinte, mit Wolfshagel geladen,
zu Hand genommen, und abgewartet –
Aber der Anblick des zweyten Räubers, dessen
Frau die Thüre geöffnet hatte, mochte
die übrigen schon von ferne zurückgeschreckt
haben. Als der Tag dämmerte, gieng unser
W... hinunter. Welch ein Auftritt!
Seines Neffen Reitknecht; der mit Briefen
hergesandt war, drey weibliche Domestiken,
ein Lakay, und neben einen gerödeten
Mörder sein [..] der Korporal, ein zweyter Trim;
der in allen Schlachten ihn zur Seite gewesen
war, und einmal den Säbelhieb eines
ungarischen Husaren von seinem Scheitel
abgehalten hatte, lagen in ihrem Blute.
Was die gute Seele unsers W... bey diesem Anblicke gefühlt habe, können nur ihm ähnliche Seelen ganz empfinden. Die nächsten Verwandten der Ermordeten erhielten von ihm eine [lebenswierige] Pension, und den Korporal ließ er mit militärischen Ehrenzeichen beerdigen und eine Freundesthräne auf seinen Sarg fallen.
Anna Roberin diente in einer kleinen Stadt
bey einem Handwerksmanne, der etwas
Geld besaß und sich etliche Kühe hielt. Für
diese mußte sie im Frühjahre und im Sommer
aus dem Felde und den Gemeindeplätzen
das Futter zusammen holen. Sie war
rasch und verwegen. Nicht zufrieden von
ihres Herrn Felde und den Gemeindeplätzen
das Futter zusammen zu bringen, gieng sie
auf das erste beste Grundstück wo sie etwas
antraf und stahl es weg, ganz unbekümmert
darüber daß solches unrecht sey. Ihre Herrschaft
war damit wohlzufrieden, daß sie
fast alle Tage reichliche Nahrung für das
Vieh brachte, lobte sie, und ließ ihr in vilen
Stücken ihren Willen; und auch andere
Leute des Orts rühmten sie als eine Magd
in der Stadt, die recht auf das Vieh hielt.
Maria eine andere Magd in der Stadt, ein
s[..]es und arbeitsames Mädchen war einmal
bey ihr und sprach: Sage mir nur, wo du
alle Tage so viel Futter herbringst? Ich
mag so fleißig suchen und sicheln als ich nur
will, so kann ich den Tag kaum halb so
viel heimbringen als du. Anna antwortete:
Man muß sehen, wo man was wegkriegen kan.
Maria. Ja, wenn man, wo man nur etwas
sieht wegnehmen wollte, so müßte ichs
ja zusammen stehlen? Anna. Was schadet
das! Man muß sich nur in Acht nehmen,
daß man nicht gekriegt wird; und gefaßt,
sie sollten einen auch einmal kriegen, so wird
man doch nicht gleich darum an den Galgen
kommen! Maria. Nun das kann und
will ich nicht. Gerne will ich so viel arbeiten
Verschiedene: Clausthalischer allgemeiner Harz-Berg-Calender auf das Jahr 1805. J. C. Wendeborn, Clausthal 1804, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Harz-Berg-Kalender_1805_066.png&oldid=- (Version vom 30.4.2019)