man dergleichen erleben will. –
Mich interessiert sehr der Vergleich meiner Aquarelle mit meinen Bildern. Jene sind Naturstudien, die zwar sehr individuell sind, aber sich doch prinzipiell an die Natur halten, dabei ist ihnen das unmittelbare Erlebnis vor der Natur eigen. Dieses macht die Aquarelle sehr frisch u. lebendig, meine Oelbilder haben das nicht; aber dafür sind diese eben viel klarer u. abgewogener u. über dies in den Farben viel reiner u. leuchtender. Ich werde bis zum Herbst sicher viel gelernt haben u. meine Oelbilder werden davon profitieren. Ich werde bis dahin ja ein reiches Material besitzen, u. kann dann aus dem Vollen schöpfen, ich habe bis heute schon 24 Blätter, von denen einige sehr schöne Anregungen zu Bildern enthalten, es wird eine reiche Winterarbeit geben. Mit diesen Aquarellen kann ich nun auch versuchen mich an Ausstellungen im Osten zu beteiligen, vielleicht wird man mich damit nicht refüsieren, jedenfalls wird die Deutsche Bücherstube diese Sachen bestimmt ausstellen, vielleicht sogar in einem größeren Rahmen.
Sommer-Anfang! 32° im Schatten. Ich flüchtete vor der Sonne heute in das kleine Wäldchen um den verkrauteten u. übel riechenden Karpfenteich. Eigentlich hatte ich es abgeschworen, solch Baumreiche Studien zu machen, sie sind sehr mühsam u. erfordern viel Zeit. Ich habe auch heute drei Stunden gearbeitet u. wurde nicht einmal fertig, weil ein Gewitter mir über den Hals zu kommen drohte, das dann aber doch nicht kam. Zuhause machte ich dann die Studie fertig u. bin sehr zufrieden damit, obgleich man nicht erkennt, daß das Wasser wirklich Wasser ist, das erkennt man nämlich in der Natur auch nicht, so verkrautet ist das Wasser; aber es hat schöne violette, rötliche, blaue u. gelbe Farben. Jetzt ist es 5 Uhr u. das Gewitter droht immer noch, ich bin neugierig, ob es kommt, wir könnten's gut gebrauchen.
Das Gewitter kam erst gestern Abend auf u. auch nur ganz am Rande, es gab aber doch etwas Regen. Heute morgen war es trübe u. ziemlich kühl. Ich benutzte diese gute Gelegenheit, um von dem hinter unserem Hause gelegenen, großen Feld auf dem Viehfutter –, ich glaube Serradella –, gestanden hatte u. das am Ende der letzten Woche abgeerntet worden war, die Kuppel des Verwaltungsgebäudes zu malen. Die Serradella hatte man rechts u. links vom Feld auf den Feldwegen in großen Hucken angestellt u. diese sind nun leuchtend gelb geworden, was einen prächtigen Vordergrund abgibt, so daß auch noch eine räumliche Wirkung entstanden ist. Das Bild hat nicht viel
Hans Brass: TBHB 1954-06-20. , 1954, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1954-06-21_001.jpg&oldid=- (Version vom 21.9.2024)