nicht immer nur sanftmütig ist. Wir waren Nachmittags im Garten u. Elisab. sprengte den unteren Teil, während ich oben im hinteren Teil saß. Bettinchen war bei der Mutti u. ärgerte sich, daß diese sprengte, anstatt mit ihr zu spielen sie wurde schließlich unausstehlich, sodaß E. mir zurief, Bettinchen zu mir zu holen. Ich holte sie also unter ihrem heftig protestierenden Geschrei u. zwang sie, bei mir zu bleiben. Als sie merkte, daß sie ihren Willen nicht durchsetzen konnte, schlug sie mit der Hand nach meinem Bein, da ich mit übergeschlagenem Bein auf der Bank saß. Als das ohne jede Wirkung blieb, ging sie zu dem großen Stein an der Kiefer, holte ihre Schippe, kam mit dieser zurück und schmetterte die Schippe mit zornfunkelnden Augen mir vor die Füße. Auch dieser Ausbruch ihres Zornes blieb ohne Wirkung. Darauf setzte sie sich resigniert mir zu Füßen und begann, alles Gras auszurupfen, das sie erreichen konnte, worüber sie dann allmählich ihren Zorn vergaß. –
Die Erdbeeren sind jetzt bald vorbei. Wir haben die Ernte nicht gemessen, aber ich schätze, daß wir bisher wohl 10 bis 15 Pfund gegessen haben werden. Ende dieser Woche wird es wohl damit vorbei sein, ich habe noch nie so viel Erdbeeren gegessen. Die Tomaten haben nach dem Jauchen schwarze Läuse bekommen die Anni mit einem Insektenpulver gegen Wanzen u. Flöhe zu bekämpfen sucht, da es ein anderes Mittel nicht gibt u. der Drogist ihr gesagt hat, daß er selbst dieses Pulver mit gutem Erfolg in seinem Garten verwendet. Ich bin neugierig, ob es hilft.
Bettinchen ist braun gebrannt u. hat rote Bäckchen, sie sieht sehr gesund aus. Leider gibt es Mücken, zwar nicht übermäßig viel wie etwa an der Ostsee, aber die paar, die da sind, machen sich nachts über Bettinchen her u. stechen sie in sämtliche Bäckchen, was ich ihnen nicht so übel nehme wie Elisab., denn ich finde, daß diese Bäckchen gar zu herausfordernd sind. –
Die Heuernte ist voll im Gange u. die Luft ist voller Heuduft. Das Getreide beginnt, gelb zu werden. Morgen ist Sommeranfang u. bald werden die Getreidefelder gemäht sein. Die Ernte hier im Gebiet von Wuhlgarten ist ausgezeichnet, der Roggen steht stellenweise zwei Meter hoch, es ist wundervoll draußen. Ich erlebe das alles zum ersten Male in meinem Leben, obwohl ich 25 Jahre in Ahrenshoop gelebt habe; aber dort habe ich nie etwas davon gesehen, da ich täglich Fron getan u. hinter der Kasse gehockt habe. Erst hier erlebe ich das Wachsen u. Reifen in allen Einzelheiten. Dieses Wuhlgarten ist ein Paradies –, man muß schon im Irrenhause leben, wenn
Hans Brass: TBHB 1954-06-20. , 1954, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1954-06-20_002.jpg&oldid=- (Version vom 21.9.2024)