verschieden, Bettinchen ist wieder die kleine Prinzessin, während die sechs Monate jüngere Heidi ein derbes Bauernkind darstellt. Sie ist aber sehr niedlich u. ihre Derbheit ist für Bettinchen sehr gut. Abends war Frau Bender dann noch mit der Kleinen hier oben in der Wohnung, wo die Kinder weiterspielten. – Frau B. macht einen überaus gehemmten Eindruck, sie hat sicher zuhause überhaupt nichts zu sagen. Es ergab sich, daß sie nicht sehr gesund ist, sie klagt über die Galle u. möglicherweise auch über die Leber, aber sie wagt es offenbar garnicht, ihrem Mann etwas davon zu sagen, der von sich aus nichts bemerkt. Die Kinder sind noch etwas zu klein, um miteinander zu spielen, es fehlt bei beiden noch der Sinn für Gemeinschaft. Die beiden größeren Mädchen Elli u. Erika hier aus dem Hause sind für Bettinchen viel bessere Spielgefährten, sie kommen oft u. spielen mit ihr u. Bettinchen profitiert davon mehr, sie sind wohl 13 bis 14 Jahre alt. Die kleine Heidi will noch alles haben, Bettinchen natürlich auch u. wenn Heidi dann zu brüllen anfängt, weil Bettinchen etwas hat, was sie haben will, dann ist Bettinchen ganz erschreckt u. gibt es ihr. Heidi ist ebenso groß wie Bettinchen, hat viel kräftigere Hände u. Füße u. unglaublich krumme Beine, dazu einen dichten Flachsschopf, rote Backen u. eine kleine Stubsnase.
Bettinchen hat, seit sie hier ist, sehr große Fortschritte gemacht, sowohl körperlich wie geistig. Sie ist braun u. hat gute Farben u. ihr Vokabelschatz hat sich beträchtlich vermehrt. Sie bildet jetzt schon sehr gute Sätze u. spricht richtig u. exakt. Anfangs wußte sie im Garten nicht viel anzufangen, sie machte allerhand Unfug u. langweilte sich oft, wenn man sich nicht mit ihr beschäftigte. Jetzt ist sie vorsichtig, beachtet die Wege u. die Pflanzen u. beschäftigt sich auch allein mit Buddeln u. Kuchenbacken im hinteren Teil des Gartens, der für sie großenteils als Spielplatz vorbehalten ist. Im nächsten Jahre soll ihr Spielplatz noch vergrößert werden. –
Es ist Hochsommer: gestern 31°, heute wird's noch wärmer, es waren schon morgens 9 Uhr 29°. – Ich male jetzt draußen, der neue Feldstuhl bewährt sich ausgezeichnet. Bisher malte ich unten an der Wuhle über ein Staubecken hinweg die Kaulsdorfer Höhe, sodann einen Feldweg auf der Kaulsdorfer Seite u. gestern einen Feldweg hier in Wuhlgarten am Karpfenteich. Es ist für mich bemerkenswert, daß dieses Malen außerhalb des Gartens ganz neue Probleme mit sich bringt u. daß ich mich erst an diese neuen Motive gewöhnen muß, erst gestern beim dritten Versuch kam ich zu einem befriedigenden Resultat. –
Vorgestern bewies mir Bettinchen, daß sie
Hans Brass: TBHB 1954-06-20. , 1954, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1954-06-20_001.jpg&oldid=- (Version vom 21.9.2024)