schön, aber sie fand es krystallisch u. kalt, während sie zu der viel schlechteren Zeichnung sofort eine sehr starke Beziehung fand. Diese Zeichnung fand sie warm u. menschlich, sie war von ihr sehr berührt, grade weil die Zeichnung weniger vollendet ist als das Bild. In der Zeichnung sind Zufälligkeiten, die auch anders sein könnten, u. grade das spricht sie an, während ihr die krystallische Vollkommenheit des Bildes unheimlich ist.
Damit drückte sie ihre Grundhaltung gegenüber meinen Bildern aus u. diese ist durchaus berechtigt. Meine Bilder sind tatsächlich krystallene Kugeln, es kann an ihnen nichts geändert werden u. dadurch wirken sie im Verhältnis zu anderen Bildern, sagen wir Rembrandt, kalt, starr, unheimlich, unmenschlich. Dies aber ist etwas, was mir von größter Wichtigkeit ist. Es ist darin die entschiedenste Ablehnung unserer chaotischen Zeit u. auch einer Kunst, die dieses Chaotische zum Inhalt hat wie z.B. Max Beckmann. Diesen Künstler lehne ich vollkommen ab, er ist für mich einfach zuchtlos, lasterhaft u. –, was das Schlimmste ist –, schamlos. Dagegen empfinde ich z.B. Carl Hofer als zuchtvoll, wenn er auch einige sehr wüste Bilder gemalt hat; aber bei ihm ist alle Leidenschaft zuchtvoll u. discipliniert. Erst wenn das der Fall ist, empfinde ich ein Bild wirklich als Kunst. – Es ist klar, daß in unserer Zeit, deren Merkmal der Kampf der chaotischen Unordnung gegen die ordnenden Kräfte ist, meine Kunst wenig Anklang findet. Abends nahm Elisabeth dieses Thema nochmals auf u. ich freute mich, wie klar sie das empfindet. Grade der Gegensatz zwischen Malern wie Max Beckmann u. mir ist ihr sehr deutlich u. sie bejaht es rückhaltlos, daß ich lieber auf einen billigen Künstlerruhm verzichte, als solche Zuchtlosigkeit mitzumachen. –
Am Abend waren dann noch Falkes aus Steglitz da, die in der HO. einen Teppich gekauft hatten. Sie wollten die Abendstunde bei uns abwarten, um dieses Objekt unauffälliger nach dem Westen verschleppen zu können. So ist das! – Besonders die Frau ist wütende Gegnerin des Kommunismus, unterstützt ihn aber doch, indem sie in der HO. kauft. Ohne Westberlin würde die HO. ein recht schlechtes Geschäft sein, denn wir Ostleute können uns die Preise nicht leisten, aber für den Westen sind die Preise billig, z. Zt. der vierte Teil. –
Schon gestern Abend hat man die Verfügung, auch die Ostseebäder zum Sperrgebiet zu erklären, das nur mit besonderem Ausweis betreten werden darf, zurückgezogen. Man verbirgt seine Verlegenheit hinter der faulen Ausrede, daß es sich um einen Irrtum bei der Veröffentlichung gehandelt habe, aber es ist offensichtlich, daß es sich dabei um ein Zurückweichen vor einem Proteststurm handelt. Sonst aber nimmt man den Mund bei der Hetze gegen Adenauer um so voller.
Hans Brass: TBHB 1952-05-29. , 1952, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1952-05-30_001.jpg&oldid=- (Version vom 18.9.2024)