Seit gestern abend sind nun die ersten Kampfmaßnahmen unserer Regierung bekannt geworden gegen Adenauer. Es wurde verkündet, daß längs der Zonengrenze nach dem Westen, sowie an der ganzen Ostseeküste ein 5 km. breiter Sperrgürtel angelegt worden ist, welcher von niemandem ohne besonderen Ausweis betreten werden darf. Dies gilt auch für die Badeorte an der Ostsee. Ferner darf sich niemand ohne den Ost-Personalausweis im Gebiet der DDR. aufhalten, es sei denn, er hätte einen besonderen Ausweis. – Und endlich ist der Telephonverkehr von der DDR. nach dem Westen u. der Telephonverkehr vom Ost=Sektor Berlins nach dem Westen, auch nach Westberlin gesperrt. – Für die Ostseebadeorte bedeutet das den Ruin. Fritz erzählte schon bei seinem letzten Besuch, daß er infolge des Ausfalls der Leipziger Messe keine Ware für die BuStu. habe, nun wird auch noch der Fremdenverkehr erschwert oder unmöglich gemacht. Unter diesen Umständen wird Fritz auch nicht in der Lage sein, mir die 1000,– M. zu senden, die ich zu bekommen habe. – Diese Maßnahmen der Regierung erinnern sehr an die Verzeiflungs-Maßnahmen Hitlers, als seine Herrschaft dem Ende entgegenging, nur daß damals noch ein sehr erheblicher Teil des deutschen Volkes mitmachte, während heute fast alle mit in der Tasche geballter Faust dastehen. – Daß mit diesen Maßnahmen der letzte Rest eines Verkehrs zwischen Ost u. West abgedrosselt wird, ist ja selbstverständlich u. beabsichtigt. Um so lauter schreien sie nach der Einheit Deutschlands. Vorläufig ist das Betreten des Ostsektors durch Westberliner noch nicht verboten. Man wird es wohl auch nicht verbieten, weil man das Geld der Westberliner, die hier in der HO. kaufen, zu nötig braucht. –
Der gestrige Besuch von Frau Dr. Daehne war recht interessant. Zunächst fand sie das Ekzem Bettinchens doch recht beachtlich, wenn auch nicht gefährlich. Sie meinte aber, daß es sehr lange dauern könne, bis es abgeheilt sei, etwa ein halbes Jahr. Außer der Oelbehandlung u. den Salben die Elisab. so wie so anwendet, empfahl sie Kamillen-Umschläge.
Wir tranken dann eine Tasse Kaffee u. meine Bilder waren der Mittelpunkt des Gespräches. Frau Dr. D. hat bislang noch niemals irgend eine nähere Beziehung zur bildenden Kunst gehabt, sie u. ihr Mann leben in einer Wohnung mit völlig leeren Wänden. Es fiel dieser Frau also nicht leicht, eine Beziehung zu meinen Bildern zu bekommen, aber andererseits waren auch keine Vorurteile vorhanden, die erst beseitigt werden mußten. – Von den Bildern gefiel ihr –, wie allen Menschen –, am meisten das Lupinenbild, sodann auch die Kleine Gasse u. schließlich, aber nicht zuletzt ein Bild, welches ich selten zeige u. das Elisabeth hervorholte: „Verkündigung“. – Im großen Ganzen war es so, daß ihr meine Bilder zu vollkommen sind. Es kam das bei dem Mondbild mit den Fischernetzen sehr zum Ausdruck. Sie fand dieses Bild wohl sehr
Hans Brass: TBHB 1952-05-29. , 1952, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1952-05-29_001.jpg&oldid=- (Version vom 18.9.2024)