ist das kleine Sonnenblumenbild, das ich erst kürzlich malte u. das mir immer besser gefällt, je länger ich es ansehe. Aber dieses Bild läßt den Beschauer dennoch kalt, wie ich neulich sah, als Dr. Richter mit Herrn Nagel u. den Damen hier waren. Das Bild ist zu abstrakt u. hat weiter keinen Inhalt. Das neue Koboltbild ist an sich noch abstrakter, aber dadurch, daß ich in die Formen Augen u. Nasen u. Münder hineingemalt habe, bekommt es etwas Gegenständliches oder Begriffliches u. dadurch wird es sofort interessant. Vom Standpunkt der absoluten Malerei aus gesehen sind diese Gesichtsandeutungen völlig überflüssig, sie haben mit der eigentlichen Bildgestaltung nichts zu tun u. könnten ebensogut nicht vorhanden sein die Formgestalt des Bildes würde dadurch nicht berührt; aber das Bild würde dann uninteressant sein. Es ist das ebenso wie bei dem Hofer'schen Karnevalsabend in der Ausstellung des Künstlerbundes. Die Figuren in diesem Bilde haben mit der Bildgestaltung selbst nichts zu tun, sie sind eine Zugabe, aber durch diese wird das Bild erst interessant. Ohne sie würde das Bild zwar seinen formal=künstlerischen Wert ungeschmälert behalten, aber es würde nicht so interessant sein, es würde den Beschauer nicht so ansprechen.
Andererseits darf ein solch gegenständlicher Bildinhalt nicht so stark sein, daß er das Bild beherrscht oder gar zur Hauptsache wird. Dann kommt man unweigerlich zu dieser albernen Inhaltsmalerei, wie sie hier im Osten von den Banausen verlangt wird u. wo der Inhalt die Hauptsache u. die künstlerische Bildgestaltung ganz unwichtig wird. Bei meinem Bilde „Bahnhof Friedrichstraße“ z.B. ist es auch so Ich hätte dieses Bild vielleicht besser völlig abstrakt malen sollen, aber es wäre dann so geworden, daß garkeine Beziehung zum gegenständlichen Inhalt mehr vorhanden gewesen wäre. Formal wäre es dann vielleicht besser geworden, aber der Beschauer hätte keine Beziehung mehr dazu gefunden, das Bild hätte nicht angesprochen, – so wie das Sonnenblumenbild. – Es ist eben sehr schwer, die richtige Grenze zu finden zwischen der Abstraktion u. der erkennbaren Gegenständlichkeit. Bei dem neuen Koboldbild ist das in besonders guter Weise gelungen, weil das Koboltmotiv dem sehr entgegen kommt. –
Gestern nachmittag mit Elisab. zum Savigny-Platz. E. ging zu Charl. Sinn, ich selbst zur Galerie Schüler, die ich ja längst besuchen wollte u. es gestern endlich tat. Es ist dort gegenwärtig eine Ausstellung von Bildern von Fritz Winter, von dem ich bereits in der Künstlerbund-Ausstellung einiges sah. Hier hängen nun etwa 40 – 50 Bilder, alle genau gleich groß, alle im Querformat, alle gleichmäßig gerahmt. Die
Hans Brass: TBHB 1951-10-18. , 1951, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1951-10-20_001.jpg&oldid=- (Version vom 17.9.2024)