gemalten Raum erlebt u. mit ihrer Fantasie erfüllt. Ich war ordentlich überrascht davon u. war ungemein erfreut. Es war das um so schöner, als E. in den letzten Tagen durchaus nicht besonders erfreulich gewesen war. Sie erlebte in diesen Tagen einen heftigen Überdruß an ihrem Beruf. Die Art ihrer Tätigkeit macht das verständlich u. ich mache ihr deshalb keinen Vorwurf, aber sie will gleich das Kind mit dem Bade Ausschütten u. ihren ganzen Beruf an den Nagel hängen. Sie war dabei äußerst unbeherrscht u. nicht sehr angenehm. Hoffentlich geht nun diese Stimmung, die wohl jeder junge Arzt dann u. wann haben mag, bald vorüber –, oder wenn nicht, so wird sie sich hoffentlich etwas mehr zusammennehmen. Solchen Stimmungen sind gewiß alle Ärzte leicht ausgesetzt, deren Streben nach etwas mehr geht als nach Geldverdienen u. nicht nur Ärzte. Mir geht es doch auch so. Ich kann in der DDR nirgends ausstellen, weil es mich anwidert, Kumpels, Mauer u. Eisengießer zu malen. Heute kann bei uns ein Maler nur dann Anspruch auf Interesse haben, wenn er Arbeiter malt. Wir andern malen ein Bild nach dem anderen u. stellen es gegen die Wand, u. daß ist bestimmt nicht das, was ich mir einst unter meinem Künstler=Beruf vorgestellt habe. Es gehört schon recht viel zähe Energie dazu, trotzdem weiter zu malen u. wenn nicht von Zeit zu Zeit mal ein paar Leute herkämen, um sich die Bilder anzusehen, würde es ganz schlimm sein.
Nachdem Elisab. in so verständnisvoller u. sehr überzeugender Weise von meinem Bilde gesprochen hatte, sagte Dr. R., daß er nun das Bild mit ganz anderen Augen ansähe, daß es ihm jetzt sogar sehr gefiele. – Ich freute mich sehr.! Solche Besuche von Interessenten regen mich doch sehr an, man hat das unbedingt nötig.
Am Mittwoch, nachdem ich Vorstehendes geschrieben hatte kam Elisab. gegen 1/2 12 Uhr aus dem Vortrag zurück u. brachte nochmals Dr. Richter mit, der Hunger hatte u. dessen Frau in einer Gesellschaft u. nicht zuhause war. Elisab. hatte ihn genötigt, nochmals heraufzukommen u. etwas zu essen. Wir hatten eingelegte Bratheringe, von denen er mit Vergnügen aß. So wurde es sehr spät, bis wir ins Bett kamen.
Am Donnerstag war ich bei Picknes in der Friedrichstraße, dicht bei der Kochstraße –, ein Geschäft für Künstlerbedarf. Das Geschäft liegt bereits in der Westzone. Ich fragte nach Leinewand. Es gab auch solche, fertig grundiert, allerdings Ölgrund, den ich nicht sehr liebe. Diese Leinewand kostet pro Quadratmeter 10,20 M-West. Da ich für das Trio-Bild 2 Quadratmeter brauche, wird mir die Leinewand also rund 120,– M=Ost kosten. – Auf dem Rückwege von dort holte ich am Bahnhof Friedrichstraße Elisab. ab die Donnerstags Nachmittagsdienst hat.
Gestern u. heute habe ich scharf gearbeitet. Ich war mit meinem Bilde in einen öden Naturalismus
Hans Brass: TBHB 1951-02-07. , 1951, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1951-02-10_001.jpg&oldid=- (Version vom 16.9.2024)