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Seite:HansBrassTagebuch 1947-12-01 001.jpg

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Montag, 1. Dezember 1947.     

     Nachmittags 3 Uhr kam Fritz mit dem Motorboot von Ribnitz. Martha u. ich holten ihn vom Hafen ab. Er sieht wohl aus, ist lebendig wie früher u. weiß natürlich sehr viel zu erzählen.

     Vormittags arbeitete ich noch etwas am Bilde, – Kleinigkeiten. Werde auch morgen noch etwas daran zu tun haben.

     Schönes Wetter, aber kalt, jedoch windstill.

Dienstag, 2. Dezember 1947.     

     Vormittags nahm ich abermals das Bild „Aufbruch“ vor, um gewisse Uebermalungen durchzuführen, die mir in letzter Zeit eingefallen sind. Links im Vordergrunde habe ich die Trümmer einer zerbrochenen Ziegelwand gemalt u. von oben herab lasse ich einige zerbrochene Dachsparren in das Bild hineinragen. Dadurch wird die massige Figur der Alten mehr zurückgedrängt in den Raum u. das Kind tritt stärker hervor. Die beiden kommen jetzt wirklich aus einem zerstörten Raum heraus u. das Bildmotiv wird dadurch viel sinnfälliger. Sodann will ich die rechte Hand der Alten wieder sichtbar machen. Sie war es früher, aber ich hatte sie fortgenommen, weil sie zeichnerisch nicht gut war. Jetzt ist mir die richtige Form dieser Hand eingefallen. Durch diese Veränderungen werden natürlich auch die umliegenden Teile mehr oder weniger in Mitleidenschaft gezogen, ich hoffe aber, daß nun dieses Bild, das mir nun schon mehr als ein Jahr lang Kopfschmerzen macht, endlich seine befriedigende Lösung finden wird. –

Nachmittags traf ein Telegramm von Kurt, aufgegeben in Frankfurt-Oder, ein, daß er entlassen ist u. heute in Berlin sein wird. Ein seltsamer Zufall ist es, daß heute gerade Annelieses Geburtstag ist. Sie wird außer sich sein über dieses Geburtstagsgeschenk. Martha freut sich natürlich ebenfalls sehr. Es scheint, daß diese unerwartete Freilassung auf Joh. R. Becher zurückzuführen ist, der eine Karte, die Fritz an Kurt geschickt hat, mit einem russischen Stempel versehen hat, der anscheinend dieses Wunder bewirkt hat. – Für mich persönlich bedeutet diese Rückkehr allerdings einen neuen Feind, neue Schwierigkeiten! – Man wird sehen. –

Mittwoch, 3. Dezember 1947.     

     Das Bild „Aufbruch“ macht gute Fortschritte. Das Kind ist nun dunkel geworden, nachdem es, bisher so hell war wie die Alte. Leider bin ich gezwungen, sehr viel dunkel auf hell zu malen, ich fürchte, daß das Bild stark reißen wird; aber das hilft nun nichts.

     Abends hatten wir ein denkwürdiges u. höchst überraschendes Gespräch mit Fritz. Anlaß dazu war ein Artikel im „Tagesspiegel“ gegen den Kulturbund, der meinen ganzen Groll gegen diesen Verein aufweckte, der im Tagesspiegel ein „Volksbildungsverein“ genannt wird. Ich machte meinen Gedanken Luft, die ich schon lange trage, nämlich: raus aus Ahrenshoop u. aus Mecklenburg, dieses Land in dem alle maßgebenden Stellen von Banausen u. politischen Geschäftemachern besetzt sind u. einem jede freie Luft zum atmen nehmen. Ich hatte schon manchmal mit Martha darüber

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1947-12-01. , 1947, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1947-12-01_001.jpg&oldid=- (Version vom 25.2.2025)