dunkel, daß ich fast nichts arbeiten konnte.
Immer noch trübe, Regen, kalt u. stürmisch u. sehr dunkel, sodaß ich nur wenig arbeiten konnte. Ein ekelhafter Monat.
Begonnen, abends Tolsoi's „Auferstehung“ vorzulesen, was ich mit großem Genuß tue.
Um 3 Uhr nachm. war eine Sitzung der Sektion im Seezeichen anberaumt, zu der Herr Neumann = Wustrow kommen sollte, um über die Delegiertentagung des Kulturbundes in Schwerin, zu der er entsandt gewesen war, zu berichten, jedoch erschien der Herr nicht. Infolgedessen war die Sitzung überflüssig. Außerdem war sie auch sonst langweilig u. ohne Stimmung. Koch-Gotha war mir gegenüber verkniffen, da er die vorgefaßte Meinung hat, daß ich Sandberg angeregt hätte, eine kritische Bemerkung über Kochs Ausstellung im Sommer im Kunstkaten im Ulenspiegel zu machen. Ich stellte ihn nach Schluß der Sitzung unter vier Augen deshalb zur Rede. Er meinte, Sandberg habe ja nur mit mir verkehrt, worauf ich ihm erwiderte, daß das doch wohl ein etwas zu magerer Grund sei, um mich in dieser Weise zu verdächtigen. Er nahm meine Worte zur Kenntnis u. wir gaben uns auch die Hand, doch ist damit nun doch wohl ein Riß entstanden zwischen ihm u. mir. Er war der einzige von den hiesigen Kollegen, der mir stets mit Freundschaft begegnet ist – bis auf Triebsch –, u. nun ist auch das vorbei. Ich habe mich geärgert, daß ich zu dieser Sitzung überhaupt gegangen bin, von der ich verärgert u. verstimmt zurückgekommen bin.
Ich erfuhr auf dieser Sitzung auch, daß Herr Dr. Fiesel, der Museumsleiter von Rostock, kürzlich hier in Ahrenshoop gewesen ist, um von Triebsch ein Bild für das dortige Museum zu kaufen. Damit erklärt sich, wieso Triebsch sich neulich einen Marderpinsel bei mir lieh, um ein Bild zu signieren. Erzählt hat er mir nichts davon. –
Es wurde auch davon gesprochen, daß Herr Venzmer nicht mehr Vorsitzender der Sektion in Schwerin sein soll, aber Genaues wußte niemand. – Ferner war davon die Rede, daß die Sektionen des Kulturbundes aufgelöst u. geschlossen zum sogen. Freien Deutschen Gewerkschaftsbund zur Gewerkschaft 17 überwiesen werden sollen. – Die Organisation wird, wie man sieht straffer. Jetzt herrscht allgemeine Spannung, da am 25.11. die große Konferenz in London beginnen soll, von der Deutschlands nächste Zukunft abhängt. – Herr Molotow hat kürzlich in einer Rede gesagt: „Die Atombombe ist kein Geheimnis mehr“. Es wird sogar gesagt, die Russen hätten bereits praktische Versuche damit gemacht in der Nähe des Baikalsees. Das Grauen vor der Zukunft wird stärker! –
Gegen 1/2 5 Uhr kam P. Conrad, der morgen hier Gottesdienst halten wird. Wir wollten gerade Kaffee trinken u. luden ihn ein. Wir verplauderten die Zeit der Stromsperre bis 7 Uhr bei Kerzenlicht u. aßen dann zusammen Abendbrot. Danach brachte ich ihn in tiefster Finsternis durch zahllose Pfützen deren Wasser mir oben in die Schuhe lief, zum Hause Longard, wo er übernachten
Hans Brass: TBHB 1947-11-12. , 1947, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1947-11-13_001.jpg&oldid=- (Version vom 21.2.2025)