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Seite:HansBrassTagebuch 1947-11-05 001.jpg

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Mittwoch, 5. Nov. 1947.     

     Heute Abend las ich das Buch von Tolstoi zuende. Ich bin tief beeindruckt, besonders vom Ende. Wer Deutschland erneuern will, wie der Kulturbund es sich anmaßt, müßte zuerst einmal mit Bezug auf die polit. Gegner, besonders der ehemaligen Nazis, die Lehre dieses Buches befolgen. Diese Lehre aber ist das Christentum. –

     In der letzten Nacht fiel mir plötzlich die Lösung für das Bild „Aufbruch“ ein. Fritz hat es vor Wochen in die Diele gehängt, wo ich es täglich sehe u. mich erinnert, daß es immer noch nicht fertig ist. Die Lösung nun besteht darin, daß ich vorn links den Rest einer Mauer malen muß, hinter dem die Alte hervorkommt, u. oben einige leere Dachsparren die schräg herunterhängen, dann bekommt das Bild Räumlichkeit, die ihm bis jetzt völlig fehlt. Ich werde diese Aenderung noch in diesem Jahre malen.

     Walter Papenhagen brachte heute die neuen Bilderrahmen, aber noch nicht den Keilrahmen, den er morgen bringen will. Er ist für das Bild „Auswanderer“ bestimmt, aber ich werde dieses Bild nun nicht mehr „Auswanderer“ nennen, sondern „Flüchtlinge“ oder „Auf der Flucht“ oder einfach „Familie“. Dieses Bild kann nun eine Parallele zur „Hl. Familie auf der Flucht“ sein. Dieses Bild werde ich zuerst malen.

     Das Stilleben ist fast fertig, es ist farbig sehr schön.

     Bisher hatten wir Stromsperre von 4 – 7 Uhr heute auch noch von 8 – 9 Uhr. Diese Sperre des Lichtes ist wirklich überaus lästig.

Donnerstag, 6. Nov. 1947.     

     Vormittags wurde das Stilleben fertig. Es ist in Bezug auf Farbe eines meiner schönsten Bilder.

     Walter Papenhagen brachte mir den Keilrahmen für das neue Bild. Ich spannte gleich die Leinewand auf u. werde sie morgen grundieren.

     In der Bibliothek fand ich ein anderes Buch von Tolstoi „Die Kreuzersonate“, das ich angefangen habe zu lesen. Ich habe es in sehr jungen Jahren schon einmal gelesen, aber damals nicht verstanden.

Freitag, 7. Nov. 1947.     

     Dank der Feier des 30. Jahrestages der russischen Revolution hatten wir heute den ganzen Tag über Strom. –

     Die neue Leinewand grundiert.

     Die Kreuzersonate ausgelesen. Kein so vollendetes Kunstwerk wie die „Auferstehung“, aber ein sehr nachdenkliches Buch. Besonders der Nachtrag ist wert, daß ich ihn nochmals lese u. darüber nachdenke.

     Es war bei Nordwest heute wieder recht kalt.

Sonnabend, 8. Nov. 1947.     

     Telegramm von Martha, daß sie Montag von Bln. nach Stralsund fährt u. am Dienstag hier sein wird. Ich freue mich sehr auf ihre Rückkehr, ich vermisse sie doch immer sehr.

     Das neue Bild habe ich mit Kohle auf die Leinewand gebracht.

     Auch heute hatten wir keine Stromsperre.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1947-11-05. , 1947, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1947-11-05_001.jpg&oldid=- (Version vom 21.2.2025)