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Seite:HansBrassTagebuch 1947-07-25 001.jpg

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Freitag, 25. Juli 1947.     

     Vormittags vollendete ich das Bild „Mysterium“, ferner riß ich das neue Bild „Leuchtturm“ auf, das ich morgen anlegen will.

     Nachmittags war ein junge Herr Eschenburg, bei mir. Er ist Berichterstatter für den Landessender Schwerin, sowie für alle vier mecklenb. Zeitungen. Er erzählte mir folgenden, interessanten Vorgang:

     Herr E. besuchte heute Vormittag den Kurdirektor Karsten. Er fand diesen beschäftigt damit, einer jungen Dame einen politischen Bericht über die Vorgänge des letzten Monats in die Maschine zu diktieren. Als Herr E. kam, war er damit gerade fertig. Dieser Bericht wurde adressiert an die „SMB“ –, eine Nachrichten=Unterabteilung der SMA=Sowjetische Militär=Administration!!! Die junge Dame fragte, ob sie damit fertig wäre, worauf Herr K. sagte: „Nein, sie müssen noch dieses schreiben“, u. ihr einen Zettel reichte. Die Dame konnte nicht alles lesen, weshalb Herr K. ihr den Inhalt ungeniert vorlas. Der Inhalt bezog sich auf jene Versammlung des Kulturbundes mit Prof. Rienäcker u. meldete, daß bei dieser Versammlung ein gewisser „Dr. ....“ (den Namen hat E. nicht behalten) geäußert habe, er hätte die Russen im Mai 1945 als Befreier begrüßt, jetzt aber bedanke er sich für diese Befreier. !!! – Herr E. wollte bestimmt wissen, daß mein Name nicht in diesem Zusammenhang genannt worden sei. Wenn es sich um einen Doktor handelte, kann das nur Dr. Wolter sein. Aber auf jeden Fall geht daraus hervor, daß Herr Karsten ein Spitzel für die Russen ist. Wir haben das Glück, diesen Herrn von Anfang an zum Freunde gehabt zu haben, ich glaube nicht, daß er bisher irgend etwas gegen uns unternommen hat. Auch jetzt, nach dieser Fischangelegenheit, kommt er in die BuStu. u. spricht mit Fritz harmlos, ohne irgend welche Vorbehalte, sodaß wir annehmen dürfen, daß er uns auch jetzt noch wohlgesinnt ist. Sonst hätte er kaum Dinge erzählt, die gegen die BuStu. u. uns persönlich gerichtet sind u. von denen er Kenntnis hat; aber es ist äußerste Vorsicht am Platze. Ich habe diesen Herrn von Anfang an für einen Russen-Spitzel gehalten. Er ist 24 Jahre alt u. gesund. Er war in russischer Gefangenschaft. Die Russen entlassen selbst heute noch nicht junge, gesunde Kriegsgefangene, die sie selbst als Arbeiter verwenden können. Wenn sie Herrn Karsten entlassen haben, dann hat dieser eben eine besondere Funktion u. einen Auftrag. –

     Am Vormittag besuchte die Frau von Friedr. Wolf Martha, um Abschied zu nehmen. Sie reist morgen ab. Martha schützt Krankheit vor u. geht nicht ins Geschäft. Frau Wolf, die ich nie kennengelernt habe, soll sehr nett sein u. Martha sagt, daß sie auch heute sehr herzlich gewesen sei. Ferner besuchte auch Frau Havermann (oder so ähnlich) Martha heute vormittag. Sie ist eine Enkelin Harnacks. Ihr Bruder wurde in Verbindung mit dem Attentat am 20.7.44. von den Nazis hingerichtet. Sie ist dieselbe, welche neulich mit Sandberg, Grünberg u. Matern bei mir im Atelier war u. einen so sympathischen Eindruck machte. Auch sie ist überaus nett u. sympathisch.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1947-07-25. , 1947, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1947-07-25_001.jpg&oldid=- (Version vom 1.2.2025)