mußte sofort nach dem Gottesdienst nach Dierhagen zurück fahren, wo noch abends 10 Uhr eine Beerdigung stattfand. – Es sind in dieser Woche hier auf dem Fischlande fünf Jungens ertrunken u. drei sind in Putnitz beim Spielen mit einer gefundenen Flak-Granate getötet worden.
Die hl. Kommunion war heute sehr eindrucksvoll u. andächtig.
Abends beschäftigten Martha u. ich uns mit dem Auftrennen eines Fallschirmes, den Sorg mitgebracht hat. Das Ding kostet 2500,– Rm, enthält aber sehr viel beste Seide. Die Arbeitsstube wird reichlich damit zu tun haben, die Nähte aufzutrennen, es ist eine langwierige Arbeit, aber die Nähseide soll ja auch möglichst verwendungsfähig bleiben. -
Man erwartet für die nächsten 24 Stunden die Antwort Rußlands auf den Amerika=Plan. Die Russen werden es kaum auf sich nehmen, den Plan durch Fernbleiben zu sabotieren, aber sicher werden sie alle Schwierigkeiten, die nur denkbar sind, machen. Es scheint, daß das Schicksal Europas von diesem Plan abhängt. Vielleicht gelingt es den Westmächten, Rußland bei dieser Gelegenheit so gründlich diplomatisch zu besiegen, daß ein Krieg vermeidbar wird, der sonst unvermeidlich zu sein scheint.
Der alte Rewoldt brachte mir heute einige wenige Tabakpflanzen, die aber sehr kräftig sind.
Die Russen haben die Einladung zum Marshall=Plan angenommen. Am Freitag wird bereits eine Konferenz in Paris stattfinden, ohne daß Molotow Bedingungen gestellt hat.
Die Tabakpflanzen eingepflanzt im Hofraum, ich habe jetzt über 60 Pflanzen.
Der „Dämon“ macht gute Fortschritte, doch wird das Bild sehr stark verändert.
Fritz kam heute morgen zurück.
Nachmittags ging ich in den Kunstkaten, um die immer noch sehr langweilige Ausstellung zu besichtigen. Herr u. Frau Holtz haben zusammen allein 14 Bilder u. Zeichnungen dort hängen. Frau Buck-Schmitt klagte mir ihr Leid, weil sie mit Herrn Holtz nicht zurecht kommt, der eifersüchtig darauf bedacht ist, im Vordergrunde zu sein. Ich lernte dort den jungen Maler Breuer kennen, ein Expressionist, der abstrakte Bilder malt. Gesehen habe ich von ihm nichts.
Als ich von da nachhause gehen wollte, rief Martha mich in die BuStu., da Herr Dr. Bredel mich kennen zu lernen wünschte. Er ist ein kleiner, breitschultriger u. vierschrötiger Mann, der wie ein Häusermakler oder dergleichen aussieht. Ein völlig ungeistiger Mensch. Er begrüßte mich sehr freundschaftlich, als wenn er niemals einen groben Brief von mir bekommen hätte, u. sagte, daß er Abbildungen meiner Bilder in seiner neuen Zeitschrift „Heute u. Morgen" bringen
Hans Brass: TBHB 1947-06-22. , 1947, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1947-06-23_001.jpg&oldid=- (Version vom 26.1.2025)