Heute habe ich das Bild „Aufbruch“ fertig gemalt. Es ist sehr stark verändert sehr viel geschlossener, monumentaler u. abstrakter, eigentlich ein völlig neues Bild, wenngleich in der Gesamtkomposition nichts geändert ist.
Der starke Seegang hat nun endlich die letzten Reste des Eises vom Meer weggespült, heute war der erste eisfreie Tag. Dennoch ist es recht kalt u. man friert. – Im Garten noch zwei Rabarberstauden auf das untere Beet vor dem großen Hause gepflanzt. Frau Rewoldt brachte 8 Eier u. wollte Rat haben wegen ihrer Ablieferungspflicht an Milch.
Den ganzen Tag an einem Entwurf über die letzten Tage der Frau Longard geschrieben, den Dr. Longard an seine Geschwister senden möchte. Sonst nur noch ein Flaschenschild gezeichnet für eine Flasche Schnaps, die Dr. Birkenfeld von uns zu seinem 50. Geburtstage am 26. Mai bekommen soll zusammen mit 50 Kartoffeln.
Nachmittags 4 Uhr war im Seezeichen eine Sitzung des Kulturbundes. Fritz leitete die Sitzung als zweiter Vorsitzender, da Frau Holtz, die erste Vorsitzende, nicht da war. Fritz machte das ganz ausgezeichnet. Er war sehr sicher u. sehr sachlich, sodaß ich eine rechte Freude über ihn hatte.
Ich verwendete den ganzen Tag auf die endgültige Abfassung u. Reinschrift des Berichtes über die letzten Tage der Frau Longard. Der Bericht ist fünf doppelseitig beschriebene Bogen stark geworden.
Die Wirkungen der Moskauer Konferenz, die in dieser letzten Woche so gut wie ergebnislos geschlossen worden ist, fangen bereits an, sich langsam abzuzeichnen. Es scheint zu einer Verständigung der Engländer u. Amerikaner mit Frankreich gekommen zu sein, die eine Isolierung Rußlands zur Folge haben muß, andererseits zu einem engeren Zusammenschluß der drei westlichen Zonen. Damit dürfte dann eine noch stärkere Betonung der Elbgrenze verbunden sein u. es wird sich nun zeigen müssen, ob dies zu einem endgültigen Auseinanderbrechen Deutschlands in eine östliche u. eine westliche Hälfte führen wird. Auf jeden Fall müssen wir die Uneinigkeit zwischen Ost u. West bezahlen. Der 1. Mai, zu dem man nun in Moskau rüstet, wird vermutlich dort allerhand Dinge mit sich bringen, die die Spannungen noch vergrößern werden. Jedenfalls sieht alles düsterer aus denn je.
Herr Radder aus Wustrow war mit seiner kleinen Frau bei mir. Er kam im Auftrage von P. Beckmann, der mich bitten läßt, ihm Firmunterricht zu erteilen, damit er am 8. Mai gefirmt werden kann. Ich habe ihn für morgen Nachmittag bestellt. Er war mit seiner Frau über Ostern in deren bayrischer Heimat u. hat dort alle Osterfeierlichkeiten erlebt. Er ist sehr begeistert davon – ich beneide ihn deshalb.
Hans Brass: TBHB 1947-04-25. , 1947, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1947-04-25_001.jpg&oldid=- (Version vom 16.1.2025)