Es ist immer noch sehr kalt, heute früh war es draußen weißgereift, das Meer liegt immer noch dick voll Eis, im Garten kommen jetzt eben die ersten Spitzen der Schneeglöckchen u. der Krokusse heraus.
An Dr. Krappmann geschrieben.
Martha war bei Frau Longard, deren Zustand unverändert ist. Dr. L. ist gestern nach Bln. zurückgefahren.
Ein ruhiger Tag ohne Ereignisse. Abends hörten wir am Nordwestdeutschen Rundfunk den ersten Teil der Matthäus-Passion aus Hamburg, den zweiten Teil, der sich bis 12 Uhr Nachts ausdehnte, haben wir uns geschenkt, um schlafen zu gehen, da morgen ein anstrengender Tag sein wird. P. Beckmann wird schon am Vormittag kommen, nachmittags wird die Aufnahme von Prof. Triebsch in die kathol. Kirche sein, anschließend daran sollen wir dort Tee trinken u. nachher will P. B. hier bei mir in meinem Zimmer Beicht hören u. wir müssen den Gottesdienst im Seezeichen vorbereiten.
Es ist kalt u. regnerisch. Das Meer ist immer noch vereist.
Heute war ein überaus eindrucksvoller Tag. Den Vormittag in Ruhe verbracht, etwas im Buch von Gustav E. Closen „Wege in die Hl. Schrift“ gelesen, Psalmenerklärungen, besonders Psalm 23 u. 46., dabei eine kleine Ansprache an Prof. Triebsch überlegt. – Um 3 Uhr kam P. Beckmann. Vorher den Altar im Seezeichen fertig gemacht, wobei die Frauen Kuhn u. Menzel nun schon ganz schön helfen können, besonders Frau Menzel ist eine sehr brave Frau. Morgens war das eine Frl. Horn da u. führte mit viel Tränen Klage über Erna Fenchel, die mit ihrem pfälzischen Temperament die beiden Frl. Horn verletzt hat da alle in der Pflege von Frau Longard überanstrengt sind, weil sie sich die Arbeit nicht richtig einteilen. Erna ist eifersüchtig u. kratzbürstig, die Frl. Horn sind altjüngferlich u. töricht, alle zusammen sind nervös. Das Unglück ist, daß die arme Frau L. darunter zu leiden hat. Ich schickte gleich P. Beckmann hin, damit er die nervösen Frauenzimmer zur Ordnung rufen möge.
Wir, Martha u. ich, gingen dann zu Triebsch, wo dann P. B. auch bald eintraf. Frau T. war vorzüglich angezogen, dunkelbraunes Seidenkleid mit Perlenkette, Triebsch selbst im schwarzen Rock mit gestreifter Hose, tadellos in seiner Haltung. Dem Mann sieht man seine 77 Jahre nicht an. Im Zimmer links neben der Diehle hatten sie einen Altar aufgebaut mit wunderbaren Leinendecken u. Spitzen, dazu zwei Leuchter mit sehr hohen, schlanken Kerzen, die Frau Longard ihnen geliehen hatte, dazwischen unser Kruzifix vor einem Busch Tannengrün, an der Wand darüber eine sehr schöne Plastik, der Kopf einer extatischen Frau, deren Sinn mir zunächst nicht klar war. Frau T. erklärte dann, daß es eine Kopie des Kopfes der hl. Theresia sei von irgend einem italienischen Altarwerk. So war also diese von mir so geliebte u. verehrte Heilige auch hier zugegen wie auf der Hochzeit von uns.
P. Beckmann sprach Gebete zum Hl. Geist u. dann begann das Glaubensbekenntnis daß Triebsch knieend nachsprach, sodann die eigentliche Taufe, darauf die Beichte im dahinter liegenden Zimmer. Währenddem
Hans Brass: TBHB 1947-04-03. , 1947, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1947-04-03_001.jpg&oldid=- (Version vom 14.1.2025)