Heute war ziemlich warmes Frühlingswetter, sodaß ich mich am Nachmittag gedrängt fühlte, im Garten etwas zu harken. Obwohl ich es nur eine Stunde lang tat, strengte es mich doch ungemein an, ich kann eben doch nichts mehr leisten. – Abends hatten wir das erste Gewitter mit ziemlich starkem Regen, der vielleicht endlich die letzten Reste des Schnees fortspülen wird. Meer u. Bodden sind immer noch stark vereist, der Regen wird da auch gut tun.
Ein durch u. durch verdorbener Tag Martha hielt es für notwendig, bereits um 1/2 6 Uhr aufzustehen, um in der Bunten Stube zu räumen. Es mag ja sein, daß dergleichen notwendig ist, mir fehlt dafür jedes Verständnis u. ich kann es darum nicht beurteilen, aber sie machte derartig viel Lärm im Hause, daß meine stille Gebetsstunde von 7 – 8 Uhr dadurch arg gestört wurde. Als sie dann auch noch um 1/2 8 Uhr zu mir ins Zimmer kam u. erklärte, daß das Frühstück fertig sei, war meine Geduld zuende. Es ist mir dann den ganzen Tag über nicht mehr gelungen, das seelische Gleichgewicht zurück zu gewinnen, sodaß ich überhaupt nichts Gescheites am Tage tun konnte. Es sind das fatale Schwierigkeiten, die sich aus dem Zusammenleben ergeben, Geduldsproben, die ich immer noch nicht bestehe. Ich beichtete dies, als P. Beckmann hier war. Er sagte mir, wie der hl. Ignatius es seinen Söhnen zur Pflicht macht Geduld zu haben, auch wenn sie in ihrem Gebet oder anderen religiösen Uebungen durch ihre Umgebung gestört werden u. daß die Pflicht zu solcher Geduld eben unter das Gebot der Nächstenliebe fällt u. diese Pflicht höher steht als die Pflicht zum Gebet. Und nun bin ich schon wieder in diesen Fehler gefallen. Es ist das sehr bekümmerlich u. ich bin sehr traurig darüber, aber es ist so. – Andererseits bin ich der Meinung, daß ich von Martha so viel Rücksicht erwarten müßte, daß sie mich nicht derartig stört, denn sie müßte wissen, wie wichtig es ist, niemandem in seinem religiösen Leben zu stören, wo sie doch weiß, wie wichtig dies für mich ist. Jedenfalls stellt das Ganze wieder mal die Kümmerlichkeit dieses Lebens dar.
Auch sonst war der Tag voller Unzulänglichkeiten. Das Mittagessen bestand aus einer mangelhaften Suppe, die überdies kalt war, sodaß niemand davon essen mochte. Ein kleiner Trost war ein schon längst angekündigtes Paket von Marthas Schwester Ruth Laub aus Amerika. Es sollte 5 kg. wiegen, wog aber nur 4 kg. Es ergab sich, daß dieses Paket weidlich bestohlen war. Es fand sich eine Blechdose darin, die aufgebrochen war u. 1 Pfund Kaffee enthalten hatte u. von dem keine Bohne mehr vorhanden war. Was sonst noch daraus gestohlen war, wissen wir nicht. Ein Paket Margarine war vorhanden, sowie etwas Schokolade u. ein Stück Seife u. verschiedene praktische Dinge wie Zwirn usw. – Solche aus dem Auslande kommenden Packete kommen meist nur in erbrochenem u. bestohlenem Zustande an u. wir können noch von Glück sagen, daß wir wenigstens dies erhalten haben u. die Margarine nicht auch gestohlen war. Wahrscheinlich besaß der Dieb genug echte Butter, sodaß er auf die Margarine verzichtete. –
Von Erzpriester Feige Berlin u. von Dr. Krappmann aus Kiel Briefe als Antwort auf meine Briefe.
Hans Brass: TBHB 1947-04-01. , 1947, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1947-04-01_001.jpg&oldid=- (Version vom 13.1.2025)