Nachdem ich den „Aufstieg zum Berge Karmel“ glücklich hinter mich gebracht habe –, es ist eine recht schwierige u. oft saure Arbeit gewesen –, habe ich nun mit der „Dunklen Nacht“ begonnen, die mir zunächst etwas leichter vorkommt. Vielleicht liegt es daran, daß ich nun die Ausdrucksweise u. die Gedankengänge des Joh. v. K. besser kenne. Sehr tröstlich sind aber diese ersten Kapritel, in denen die geistigen Unvollkommenheiten beschrieben werden, welche die Anfänger im religiösen Leben begehen u. die auch ich alle Wort für Wort begangen habe. Ich schäme mich heute dieser Dinge sehr, wenn ich daran zurückdenke, aber es tröstet mich doch, daß es Fehler sind, die fast alle begehen u. mir nicht allein eigen waren, bzw. noch sind. Da ist gleich zuerst die Hoffart. Mein Gott, Du weißt, wie ich damals stets ein eitles u. dummes Verlangen hatte, vor anderen Leuten über geistliche Dinge klug zu reden. Besonders die Zeit im Christkönigshause war mit solchen Eltelkeiten angefüllt. Es scheint mir heute so, als ob Gott gerade damals angefangen hätte, mich in die dunkle Nacht zu führen u. alle diese Fehler an mir zur Blüte gekommen wären. Wie kritisierte ich damals die Brüder u. die anderen Bewohner des Hauses, ja selbst P. Petrus, der freilich zu mancher Kritik Anlaß gab, aber keinesfalls in Bezug auf Frömmigkeit u. Andacht. Wie eitel war ich, wenn ich merkte, daß meine eigene Andacht u. mein Gebetseifer die Bewunderung anderer fanden u. wie freute ich mich, wenn sich mir Gelegenheit bot, öffentlich aufzufallen mit meinem frommen Gehabe. Es ist beschämend, aber heilsam, sich daran zu erinnern! Wie töricht war ich, meine Lust an der Kritik dem Prälaten Schmidt gegenüber auszulassen, weil ich glaubte, derselbe müsse meiner Ansicht sein. Und so habe ich damals viele solche Torheiten begangen u. es mag mich etwas trösten bei Joh. v. K. zu lesen, daß solche Fehler allen Anfängern anhaften. Ich sehe daraus, daß ich weder im Guten noch im Bösen eine Ausnahme bin, sondern Durchschnitt u. wie jeder andere. Joh. v. K. meint, daß sich nur sehr selten Anfänger finden, die in der Zeit des ersten Eifers nicht solche Fehler begehen. Allerdings führt er dann weiter die Eigenschaft wahrer Demut an u. da muß ich leider gestehen, daß es mir daran auch heute noch fehlt, – u. das ist viel schlimmer als meine frühere Hoffart.
Morgens las P. Beckmann bei uns die hl. Messe, wobei etwa 8 – 10 Teilnehmer waren. Morgen früh ist noch einmal Messe, dann fährt P. Beckmann nach Ribnitz zurück. Er hat Frau L. mit den Sterbesakrament versehen, mehr kann er ja nicht tun. Am Sonnabend vor Ostern wird er wieder hier sein, um Prof. Triebsch die bedingte Taufe zu geben u. am Ostersonntag Morgen wird er hier das Hochamt halten. Ich nehme an, daß Frau L. das Osterfest nicht mehr erleben wird. Martha war heute bei ihr, ihr Zustand hat sich wenn auch nicht viel, so doch langsam verschlechtert. Der Sohn aus Berlin hat heute telegraphiert, daß er morgen kommt, die Tochter telephonierte heute Abend bei der Post an. Fritz ist eben zur Post, um eine Verbindung mit ihr zu bekommen u. ihr zu sagen, daß sie doch mit ihrem Bruder herkommen solle. An Pater Pius in Maria-Laach habe ich heute ebenfalls ein Telegramm geschickt, wenn er auch nicht kommen kann, so kann er doch beten.
Von Schwester Gertrud Dobczynski erhielt ich heute eine umfangreiche Büchersendung aus dem Nachlaß
Hans Brass: TBHB 1947-03-26. , 1947, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1947-03-26_001.jpg&oldid=- (Version vom 12.1.2025)