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Seite:HansBrassTagebuch 1947-03-24 001.jpg

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Montag, 24. März 1947.     

     Martha war nach Tisch bei Frau L., die wohl im gleichen Zustande ist, wie gestern, nur daß sie nun im Bett liegt. Morgen will ich hingehen. Sie hat Martha ein kleines Heftchen mitgegeben, von dem sie dringend gesagt hat, daß wir es lesen sollten. Wir haben das heute Abend getan, ich las es vor. Es enthält eine Beschreibung der wunderbaren Vorgänge in Fatima, von denen ich schon damals im Christkönigshause sprechen gehört hatte, doch habe ich niemals Näheres darüber in Erfahrung bringen können. Ich wußte nur, daß es sich um Erscheinungen der Muttergottes handelte u. daß Fatima in Portugal liegt, das war alles. Dieses Heftchen nun hat Frau L. von irgend jemand erhalten, wahrscheinlich von den beiden alten Frl. Horn die bei ihr wohnen. Es ist höchst seltsam gedruckt, ohne Titelblatt, ohne irgend eine Angabe des Herausgebers oder auch nur des Druckers, wie eine geheime Schrift. Und von dem Inhalt muß ich sagen, daß ich davon ganz erschüttert bin. –

Dienstag, 25. März 1947.     

     Nach dem Mittagessen ging ich zu Frau Longard, die ich sehr viel apathischer antraf, als am Sonntag. Erna Fenchel u. ihr Mann, die nach wie vor sehr rührend um die alte Dame besorgt sind, sandten heute Morgen ein Blitz-Telegramm an die Tochter, Frau Prof. Kemper in Berlin. Martha hatte bereits an Frau K. geschrieben u. den Brief einem Mann mitgegeben, der gestern Früh nach Berlin fuhr. – Ich traf Frau L. in ihrem Schlafzimmer auf einem Liegestuhl liegend. Sie sprach schlechter als am Sonntag, sodaß ich sie schwer verstehen konnte. Ich erzählte ihr was mir einfiel. Der Briefträger brachte einen Brief ihres Sohnes Rechtsanwalt Dr. Longard aus Berlin, den ich ihr vorlas. Ich betete dann mit ihr einen Rosenkranz, doch sprach sie nur dann u. wann einmal die Antworten. Es sieht schlecht mit ihr aus. – P. Beckmann hatte morgens bei der Post angerufen u. ließ bestellen, daß er heute käme. Er kam gegen 7 Uhr abends, er war erst bei uns um sich informieren zu lassen. Er machte selbst einen recht ermüdeten Eindruck. Er war in der vergangenen Woche in Berlin gewesen, die Reise ist sehr schwierig gewesen. –

     Die Ernährung fängt jetzt an, katastrophal zu werden. Es sind hunderttausende von Tonnen Kartoffeln erfroren u. die spärlichen Vorräte, die die Leute hatten, sind nun aufgebraucht. Auch die Kohlrüben sind aufgegessen. Niemand weiß, was werden soll. Dazu ist der Oderdamm bei Küstrin geborsten u. das Land des Oderbruches ist weithin unter Wasser. In Berlin sollen nach der Radiomeldung 20.000 Flüchtlinge aus dem Oderbruch eingetroffen sein. Alle Vorräte im Oderbruch sind natürlich ebenfalls vernichtet. Es wird eine Katastrophe werden. Selbst hier Leute wie Bernhard Saatmann haben nur noch für 14 Tage Kartoffeln, wie er mir heute sagte, – bei den Flüchtlingen ist es natürlich noch viel schlimmer. Auch P. Beckmann hat nichts zu essen. Wir haben Lebensmittel zu Frau L. gebracht, damit sie wenigstens P. Beckmann verpflegen können, der bis Donnerstag Vormittag hier bleiben will. Morgen früh wird er bei uns Messe lesen.

     Heute hatten wir den ganzen Tag über elektr. Strom, auch abends. Ob die Sperrstunden abgeschafft worden sind, wie es ja im vorigen Sommer auch war, muß die Erfahrung lehren, bekanntgemacht wird so etwas ja nicht, sonst könnten ja vielleicht die Engländer u. Amerikaner etwas davon merken. Bei den Russen geschieht prinzipiell alles heimlich.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1947-03-24. , 1947, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1947-03-24_001.jpg&oldid=- (Version vom 11.1.2025)