von Ribnitz unter größter Mühe u. Anstrengung. Nachmittags richtete ich mit den beiden sudetendeutschen Frauen Kuhn u. Menzel die Veranda im Seezeichen her. – Dr. R. übernachtet bei Frau Longard.
Nachts starkes Schneetreiben. Morgens feierliches Hochamt, sehr gute Predigt von Dr. R., der langsam in die Seelsorge hineinzuwachsen scheint. Er war in seiner Heimat ausschließlich Religionslehrer u. muß sich erst gewöhnen an die ganz anders liegenden Aufgaben hier. Er fuhr gleich nach dem Frühstück nach Wustrow u. wollte heute Abend wieder in Ribnitz sein. Da es dauernd weiter geschneit hat bei nach Nordwesten drehendem Winde, bin ich nicht ohne Sorge um ihn.
Gegen 7 Uhr in der Dunkelheit besuchte uns, bzw. Martha, der total betrunkene Goldschmied Kramer aus Ribnitz, der hier ist, um hier einen Betrieb aufzuziehen. Dieser Mann ist ein völliger Prolet mit einem Brillantring am kleinen Finger von fast Erbsengröße. Es war eklig, mit ihm sprechen zu müssen, aber es scheint, daß er trinkt aus Not u. Unfähigkeit, das Leben zu begreifen u. mit ihm fertig zu werden. Er verdient offenbar sehr viel Geld mit seinem Fischlandschmuck u. legt dieses Geld in Alkohol an, aber es ist ein schwacher, guter Kern in ihm. Seine Trunkenheit verleitet ihn nicht zum eitlen Protzentum u. zur Renomage, wie es sonst bei solchen Leuten der Fall ist, sondern er begreift oder fühlt in etwa seine eigene Verkommenheit.
Abends las ich Martha aus den Briefen des hl. Franz von Sales vor, die Schw. Gertrud geschickt hat, ich bin davon tief beeindruckt u. werde diese Briefe noch sehr ernsthaft studieren.
Sonst Briefe geschrieben: an Frau Dr. Riemschneider u. ihr gratuliert zur Rückkehr ihres Gatten, an Erzpriester Feige zu dem Artikel, den er neulich im Petrusblatt als Erinnerung an Ahrenshoop gehabt hat u. an Schw. Gertrud Dobczynski.
Es ist nach wie vor starker Frost u. vorläufig keine Aussicht auf Besserung
Namensregister der Klosterstiftungen fertig gestellt. Es sind 284 Namen. – Nachmittags stellte ich fest, daß sich im 6. Bande der Schriften der Hl.Th. ein vollständiges Namensregister befindet, sodaß ich mir diese Arbeit umsonst gemacht habe.
Von Fritz Telegramm, daß er heute Abend bereits wieder in Schwerin ist. Es scheint also wohl irgend etwas nicht geklappt zu haben.
Der Frost hat bedeutend zugenommen, heute Nacht wird die kälteste Nacht dieses Winters werden, wir hatten um 6 Uhr nachmittags bereits 10° Kälte.
Nachmittags „Weg der Vollkommenheit“ gelesen, Abends Briefe des hl. Franz v. S. vorgelesen.
Die vergangene Nacht war die kälteste dieses Winters, wie zu erwarten war. Es waren Morgens 18° Kälte, es wird also in der Nacht mehr als 20° gewesen sein. Im Laufe des Tages hat sich der Himmel bezogen u. die Temperatur ist etwas angestiegen.
Fritz telephonierte, daß er in Ribnitz ist u. morgen früh mit dem Auto von Johannsen, der seit einiger Zeit wieder täglich fährt, herüberkommen wird. Diese Reise scheint eine ganz große Pleite gewesen zu sein.
Hans Brass: TBHB 1947-02-22. , 1947, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1947-02-23_001.jpg&oldid=- (Version vom 8.1.2025)