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Seite:HansBrassTagebuch 1947-01-30 001.jpg

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Donnerstag, 30. Januar 1947.     

     Den ganzen Tag mit Lesen verbracht, teils Zeitungen u. Zeitschriften, teils Leben der Hl. Theresia. Ich las im 32. Hauptstück ihre Vision von der Hölle u. wurde dadurch lebhaft an jenen Traum erinnert, der zweifellos ebenfalls eine Vision war, die ich damals hatte, als ich an der Mittelohr-Entzündung in Rostock in der Klinik lag, zwischen Leben u. Tod. Es heißt da. „Der Eingang kam mir vor wie ein sehr langes, schmales Gäßchen, gleich einem sehr niedrigen, finsteren u. engen Backofen.“ – Ich entsinne mich dieser Vision wie auch der anderen, die ich damals hatte noch haarscharf. Bei mir waren die Wände dieses „Gäßchens“ aus Erde wie bei einem Schützengraben, aber der Boden senkte sich ziemlich steil herab, bis ich vor eine dunkelrote, stark vergitterte Tür kam. Das Gitter bestand aus starken, runden, eng beieinander senkrecht stehenden Balken wie Kiefernstämme. Ich schwebte dieser Tür unaufhaltsam entgegen, aber kurz ehe ich es erreichte, kam von links her eine Gestalt, die aus langen, dünnen, blankgeschliffenen Stahlstangen zu bestehen schien u. die mir, obgleich sie überhaupt garkeine Aehnlichkeit mit einer menschlichen Gestalt hatte, doch ein Engel zu sein schien. Dieser kam auf mich zu u. umhüllte mich ganz, sodaß ich in ihm drin war u. von allen Seiten von ihm umgeben war, u. führte mich den Weg wieder zurück, den ich hinabgeschwebt war, u. wiederum geschah dies schwebend. – Merkwürdigerweise habe ich bis heute nie den Gedanken gehabt, daß dies der Eingang zur Hölle gewesen sein könne, sondern ich nannte es einfach den Eingang zum Tode. – Die andere Vision, die ich hatte u. auf die ich mich ebenfalls noch taghell besinnen kann, bestand darin, daß ich an einen aus Balken gezimmerten Apparat mit Händen u. Füßen angenagelt in große Höhe durch die Luft schwebte u. hinter mir eine Gestalt war, die ich nicht sah, von der ich aber meinte, sie sei Christus selbst. Diese Gestalt hatte einen Foto-Apparat u. fotographierte mich fortwährend u. zu sehen, wie ich mich dabei benehme. Ich hatte eine unsagbare Angst. erst nachher, als alles vorbei war, wußte ich, daß jener Apparat, an den ich angenagelt gewesen war, ein Kreuz gewesen ist. – Eine dritte Vision war etwas undeutlicher. Da fuhr ich auf einem Gefährt, das ich nicht sah, über ein weites Land u. rechts u. links vom Wege standen eigenartige Holzgitter in großer Tiefe bis zum Horizont. Ich erkannte bei näherem Hinsehen, daß es Kreuze waren wie auf einem riesigen Soldatenfriedhof u. es stand ein Schild daran mit dem Worte „Der Sohn“. Später fuhr mich das Gefährt wieder zurück u. hier scheint diese schwächere Vision dann in einen gewöhnlichen Traum überzugehen, denn ich kam nach Wustrow, wo aus dem Fenster eines roten Gebäudes im ersten Stock jemand herausblickte, den ich zwar auch nicht sah, der aber „Der Vater“ war. Dieses Gebäude war die Wustrower Post, wobei –, wie ich später begriff, das Wort. „Post“ nur eine traummäßige Verschleierung war; es sollte post = nachher, später bedeuten.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1947-01-30. , 1947, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1947-01-30_001.jpg&oldid=- (Version vom 5.1.2025)