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Seite:HansBrassTagebuch 1946-12-20 001.jpg

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groß zu werden braucht. Wenn es nichts wird, ist es nicht weiter schlimm.

     Die Landschaft „Dorfstraße“ geht gut voran. Heute Vormittag besuchte mich der Kollege Luke aus Prerow. Er brachte mir zwei Farbtuben mit. Dieser Mann ist eine etwas komische Figur. Er ist sehr eitel, als Maler herzlich unbedeutender Naturalist, aber sehr gutmütig, hilfsbereit. Er redete viel über meine Bilder, die ich ihm zeigte, ohne daß er jedoch irgend ein inneres Verhältnis dazu aufbringen konnte. Er ist aber bescheiden genug, einzugestehen, daß er da nicht mitkann, daß er aber wohl merkt, daß da etwas ist, was er nicht versteht. Der andere Kollege, Schulze-Jasmer in Prerow, ist nach Lukes Schilderung u. auch nach meiner Kenntnis darin das Gegenteil. Er ist überzeugt, daß diese ganze abstrakte Malerei eine abgetane Sache sei. Da er nur die Tägliche Rundschau u. die Landeszeitung liest, ist er der Meinung, daß die gesamte Kunstkritik diese moderne Richtung ablehnt u. daß in Zukunft nur noch der platte Naturalismus gelten wird. So war es unter Hitler u. er trat deshalb in die NSDAP ein, – u. so ist es jetzt, weshalb er nun schleunigst in die SED eingetreten ist. Er ist ein liebenswürdiger Gesinnungslump ohne jedes Schamgefühl.

     Der Frost hat Gott sei Dank nachgelassen.

Freitag, 20. Dezember 1946.     

     Heute war wieder einmal von 4 Uhr nachmittags ab bis abends 9 Uhr der Strom unterbrochen. Diese Willkür ist schwer zu ertragen. Außerdem kann ich nicht begreifen, wie bei solchen Methoden die Industrie u. die Geschäfte arbeiten sollen.

     Der Frost hat sich seit gestern Nacht wieder sehr bedeutend verschärft. Ich habe deshalb die Heizung den ganzen Tag bis zur Nacht in Gang gehalten, bisher habe ich nur Vormittags den Ofen geheizt, nachmittags u. abends heizte ich nur den kleinen Ofen im Atelier, den wir uns von Röwer setzen ließen u. an dem wir abends sitzen. Der große Ofen frißt unheimlich Holz, da wir nur noch ganz wenig Koks haben.

     Abends bekamen wir aus Daskow mit Litzau's LKW. 10 Centner Kartoffeln, sodaß wir hoffen dürfen, bis zum Frühjahr auszukommen, dann machen wir die Miete auf. –

Sonntag, 22. Dezember 1946.     

     Gestern am Spätnachmittag traf P. Beckmann ein um heute bei uns Gottesdienst zu halten. Er war über Nacht bei Frau Longard. Den Gottesdienst hatten wir erstmalig nicht im Hause, sondern bei Möller im Seezeichen in der Veranda, die ich mit einigen Sudetendeutschen Frauen gestern Nachmittag dazu hergerichtet hatte. Wir stellten zwei Tische zusammen u. bekamen so einen schönen, breiten Altar rechts u. links davon je ein Tannenbaum, auf den Altar Tannengrün, Stechpalmen.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1946-12-18. , 1946, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-12-20_001.jpg&oldid=- (Version vom 3.12.2024)