selbst ist. Auch er hat offenbar nicht die Gabe, etwas mehr Ordnung u. Disziplin in die Produktion seiner Frau zu bringen. Er hat übrigens Aussicht, irgendwo in Thüringen Leiter einer Holzbildhauer-Schule zu werden. Damit würde dann die Fischländer Kolonie gleich um zwei Köpfe verringert werden. Nachdem Partikel vor Jahresfrist spurlos verschwunden ist u. Prof. Gerhard Marks nach Hamburg gegangen ist, wird das Fischland immer magerer.
Nachmittags war Justus Schmitt mit Frau da, Bilder besehen. Abends trafen sich die Aussteller der Kunstausstellung im Baltischen Hof. Da dort aber ein Varieté stattfand u. sämtliche Stühle im Saal gebraucht wurden, gingen wir ins Seezeichen, wo ich erstmalig den neuen Pächter, Herrn Möller, kennenlernte, ein endlich mal etwas kultivierterer Gastwirt, der aus dem Osten gekommen ist, wo er ein ziemlich großes Hotel gehabt haben soll. Es waren Triebsch, Koch-Gotha, das Ehepaar Holtz-Sommer, Frau Woermann, Dora Oberländer u. Frau Droßt da. Wir besprachen die Ausstellungsangelegenheiten, Fritz, der mit dabei war, übernahm die geschäftlichen Angelegenheiten. Es wird gut sein, wenn Fritz das auch weiterhin macht. Wir beschlossen, alle vier Wochen jeden ersten Freitag des Monats, nachmittags 5 Uhr im selben Lokal zusammen zu kommen u. außerdem überhaupt jeden Freitag einen Stammtisch dort aufzumachen. Besonders Triebsch war von diesem Vorschlag sehr entzückt.
Koch-Gotha erzählte mir, daß er, als er vor einigen Tagen bei mir war, nachher zu Dr. Burgartz gegangen sei, wo er Herrn v. Achenbach u. andere Leute getroffen hätte, die alle eine große Geschaftelhuberei in Kulturbund-Angelegenheiten entwickelt hätten. Koch-Gotha hat gesprächsweise erwähnt, daß er den Tagesspiegel liest, worauf Herr v. A. gesagt habe, daß er das nicht dürfe (!) Es sei dann erzählt worden, daß es schon vorgekommen sei, daß Leute, die den Tagesspiegel im russischen Sektor Berlins gelesen hätten, bis zu 500,– Rm. Geldstrafe verurteilt worden wären. –
Koch-Gotha erzählte weiter von den jüngsten Vorgängen in Althagen, wo man versucht hatte, den bisherigen Bürgermeister Dillwitz abzusetzen. D. habe vor einigen Tagen vor der Dorfgemeinschaft den vorgeschriebenen Rechenschaftsbericht abgelegt u. es sei ihm vom Dorf zu 100% das Vertrauen ausgesprochen worden. Gestern seien plötzlich zwei russische Offiziere erschienen, die Dillwitz abgesetzt u. dafür einen landfremden Pächter Ahrens, der Kommunist ist, eingesetzt hätten.
Für die bevorstehenden Gemeindewahlen erhalten alle Parteien außer der SED. keinerlei Papier für die Wahlpropaganda. Dr. Burgartz, der ja selbst der SED. angehört, hat zu Koch-Gotha gesagt, daß es den anderen Parteien, auch wenn sie in der Wahl siegen würden, doch nichts nützen würde, – es würde eben alles einfach so gedreht u. geschoben werden, daß zum Schluß nur die SED. als einzige Partei dastehen würde. Alle diese Sachen sind überaus empörend. – Bei uns im Dorf wird es ja überhaupt nur eine Liste geben, in Althagen aber versucht die CDU, eine Liste
Hans Brass: TBHB 1946-08-15. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-08-16_001.jpg&oldid=- (Version vom 22.12.2024)