Zusammentreffens Faust's mit der heutigen Figur Mephistos. Dieser erklärt dem Faust unter Hinweis auf die heutige Situation, was er in der Zwischenzeit alles gemacht hat. Faust aber hat inzwischen die Weisheit der Verklärung erlangt u. findet, daß all diese dämonische Mephisto-Arbeit reine Männerleistung ist u. zum Untergang bestimt ist, weil das Wesentliche fehlt: die Leistung der Frau. Um diese nun einzuführen, erscheint jetzt auch Gretchen, die nun aber zur Margarete herangewachsen ist u. sich als junge Aerztin präsentiert. Sie tritt auf als das große Weib, welches nun seine Mitarbeit anmeldet, – eine Mitarbeit, die nicht, wie die Arbeit der bisherigen Frauenrechtlerinnen eine Nachahmung der Männerarbeit sein wird, sondern eben Frauenarbeit im Sinne des Bewahrens, Behütens u. Leidens. Sie wird von Mephisto vergiftet, aber ihr Testament wirkt dann weiter u. führt eine neue Zeit herauf, in welcher die europäische Frau als Frau gleichwichtig neben dem Manne steht.
Der Gedanke ist ganz schön u. fruchtbar. Ich machte ihn darauf aufmerksam, daß diese Frau jedoch schon immer existiert habe in der kathol. Kirche, bzw. in der Jungfrau Maria. – Jedenfalls ist es so seine Idee, die er in einer Dichtung verarbeitet habe, obgleich er früher nie gedichtet hätte. Erst eine längere Gefängniszeit, zu der ihn die Nazis verurteilt haben, hätte ihn dazu gebracht. Er meinte, daß die Dichtung aus zwei Teilen bestehen würde wie Goethes Faust auch u. daß er den ersten Teil jetzt fertig hätte. An diesem hätte er acht Jahre gearbeitet. Es erscheint demnach zweifelhaft, ob der zweite Teil je fertig werden wird. Aber gleichwohl fragte er mich, – u. das war dann der Sinn der Unterhaltung, – ob ich vielleicht bereit wäre, zu dieser Dichtung Illustrationen zu machen. Der Gedanke ist nicht reizlos, ganz unabhängig vom Werte der Dichtung u. ich sagte gern zu, vorausgesetzt, daß er mir eine Abschrift seines Werkes geben wolle. – Er meinte dann, daß es doch erwägenswert sei, meine Ausstellung in Berlin noch etwas hinauszuschieben, da sich vielleicht aus dieser Arbeit für mich die Möglichkeit ergeben könne, ein oder zwei neue Bilder zu malen, die über meine religiösen Bilder hinausweisen. – Hier wurde ich stutzig. Ich sagte, daß wir dann mit der Ausstellung möglicherweise noch zwei Jahre warten müßten, denn wenn es wirklich so sein sollte, wie er hofft, dann würden bis zur völligen Ausreifung dieser Idee eben leicht zwei Jahre vergehen. –
Ich fragte ihn dann vorsichtig über seine Stellung im Kulturbunde aus. Es ergab sich, daß er bis jetzt in der Volkshochschule leitend tätig gewesen ist, daß es da aber zu Meinungsverschiedenheiten gekommen sei u. daß er seine Position als Leiter der Berliner Kulturbundes jetzt eben erst angetreten habe. Ich fragte weiter, ob er denn in dieser Stellung so viel Kompetenz besitze, die von ihm geplante Ausstellung meiner Bilder wirklich durchzuführen, – u. da war er offenbar unsicher. Er sagte mir, daß er einen jungen
Hans Brass: TBHB 1946-08-10. , 1946, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-08-10_003.jpg&oldid=- (Version vom 20.12.2024)