Kachelofen ist noch dort. Im Garten lag ein Waschbecken, sonst keine Türklinken, keine Fensterriegel u. keine einzige Fensterscheibe. Nebenan im Hohmeyer'schen Hause ebenso. Dort hat man sogar versucht, den Fußboden aufzureißen. Wir gingen dann weiter zur Batterie, wo riesige Trümmern von Eisenbeton herumliegen, Reste von Geschützen. Scheinwerfern u. sonstigem Kriegsgerät. Diese Trümmer werden niemals beseitigt werden, weil es einfach unmöglich ist, sie werden noch späteren Generationen erzählen von den einstigen Befestigungsanlagen, die hier waren. Auch die übrigen dahinterliegenden Häuser sind völlig ausgeplündert, darunter auch das nie fertig gewordene Haus des üblen Malers Fischer-Uwe, der sich mit Hilfe des Gauleiters von Mecklenburg Hildebrandt im Kriege dort ein Haus bauen ließ. Die riesigen Betonbrocken der gesprengten Befestigungsanlagen sind weit in den Aeckern zerstreut. Das ehemalige Batteriegelände aber ist bereits sehr ordentlich als Acker bestellt.
Wir gingen dann nach Althagen hinab. Die Baracken der Batterie sind größtenteils ebenfalls völlig zerstört, einige sind schon zusammengefallen. Der große Platz innerhalb des Lagers ist ebenfalls gärtnerisch bestellt, Flüchtlinge haben dort Garten-Parzellen erhalten. Die Baracken hätte man vorzüglich zur Unterbringung von Flüchtlingen verwenden können.
Wir besuchten Karmen Grantz, die nicht wohl war, ohne direkt krank zu sein. Ihre Mutter sahen wir nicht, da sie schlief. Auf dem Wege nachhause trafen wir Herrn + Frau Dr. Burgartz, mit denen wir uns über die unerfreulichen Zustände im Kulturbunde unterhielten. Er schimpfte weidlich, ist aber gleichwohl der Vorsitzende der hiesigen Ortsgruppe. Während wir sprachen, stiegen aus Richtung Ahrenshooper Mühle gewaltige schwarze Rauchwolken auf, was uns veranlaßte, dorthin zu gehen. Es ergab sich, daß der große Strandkorb-Schuppen von Frau Niemann in hellen Flammen stand, wahrscheinlich durch spielende Kinder verursacht. Der Schuppen ist mitsamt dem Inhalt total niedergebrannt, ohne daß unsere Feuerwehr auch nur einen Versuch zur Rettung unternommen hätte, der wahrscheinlich auch zwecklos gewesen wäre.
Zuhause Kaffee getrunken u. nachher an Erich Friese geschrieben, von dem ich in diesen Tagen einen Kartengruß mit der Frage nach unserem Ergehen erhalten hatte. Sodann kam Robert Schneider, der seit gestern hier ist um nach seiner Mutter zu sehen. Er rauchte eine friedensmäßige Cigarre u. schenkte mir eine davon, ein unerhörter Genuß. Er hatte diese Cigarren hier im Hause u. hat sie jetzt hier gefunden. Er hat die ganze Kampfzeit in Berlin mitgemacht u. erzählte sehr anschaulich u. plastisch von seinen aufreibenden u. nicht ungefährlichen Erlebnissen. Seine Fabrik hat schon im Mai vorigen Jahres, sofort nach abgeschlossenem Kampf, wieder zu arbeiten begonnen. Ueber die gegenwärtigen Verhältnisse hat er noch nicht gesprochen, er wird noch einmal wiederkommen, doch konnte ich aus einigen Bemerkungen entnehmen, daß er die Lage pessimistisch beurteilt, solange die Russen zu sagen haben.
Abends aßen wir herrliche Erdbeeren, die Frau Schönherr uns besorgt hat.
Ich fühle mich auch heute verhältnismäßig wohl, der große Spaziergang war eine beachtliche Leistung.
Hans Brass: TBHB 1946-06-23. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-06-22_002.jpg&oldid=- (Version vom 7.12.2024)