Kulturbundleute hier sein würden, einen Vortrag über Kunst halten würde. Ich habe diese Tage dazu benützt, einen solchen Vortrag auszuarbeiten.
Gestern Nachmittag war Dr. Meyer da u. spritzte mir ein Leber-Präparat ein.
Am Tage habe ich gemalt. Das große Bild bietet seine Schwierigkeiten, solange die Werte noch nicht fest stehen. So hat mich der Blumentopf rechts am Fenster lange aufgehalten u. er ist auch jetzt noch nicht gut, er kann erst fertig werden, wenn der kleine Topf, der davor auf dem Regal steht, fertig ist.
Fritz will heute über Land fahren um Kartoffeln heranzuschaffen.
Gestern bekamen wir von Schw. Ephrem aus Müritz die Nachricht, daß Schw. M=Salesia, die frühere Oberin, gestorben ist. Brustkrebs. Sie war eine sehr fromme Frau u. ein guter Mensch, der Herr wird sie freundlich aufnehmen. Ihr Todestag war der 26. Mai.
Es ist draußen trübe u. immer noch sehr kalt. Der Sturm hat viel Schaden angerichtet, sodaß wir auch keinen Strom haben. Wenigstens ist es heute ruhig.
Nachmittags. Es ist über Mittag schön warm geworden, sodaß wir nachmittags draußen auf der Terrasse Kaffee trinken konnten. Grete kam mit ihrer Tochter Inge u. jammerte uns etwas vor, daß sie nichts zu essen hätten. Es scheint dort im Hause heute Morgen einen Riesenkrach gegeben zu haben, weil Paul sich dagegen wehrte, daß Inge ihre beiden Kinder hier lassen will. Nun schimpfen die beiden auf Paul. Aber solche Auseinandersetzungen sind ja nur die Wirkungen längst vergangener Bosheiten. Ich höre, daß Paul nach Völpke geschrieben hat, ob er dorthin kommen könne u. Ernst soll ihm zugesagt haben. Ich gönne ihm eine solche Erholung.
An Else habe ich ebenfalls geschrieben als Antwort auf ihren kürzlich erhaltenen Brief, in dem sie mitteilt, daß sie ab morgen in ein Moorbad geht zur Kur wegen ihres Rheuma. Sie scheint sehr ernsthaft krank zu sein.
Seit heute habe ich nun den allerletzten Rest von Tabak aufgeraucht. Von nun an muß also endgültig gedarbt werden. Es wird mir bitter schwer werden.
Gestern hat die neue Außenminister-Konferenz in Paris begonnen. Es ist das nun die dritte Konferenz nach dem Kriege. Wenn es jetzt wieder nicht zu einer Einigung kommen sollte, dann ist kaum noch Hoffnung, daß ein Ausweg gefunden werden kann. Amerika ist zunächst mit einem neuen Plan hervorgetreten, Deutschland in 12 – 13 Bundesstaaten zu gliedern. Eine solche Lösung wurde ich sehr begrüßen, es würde dann eine einheitliche Regierung eingesetzt werden, die den russisch=kommunistischen Strebungen hier im Osten doch Widerstand leisten könnte.
Fritz hat leider mit seiner Kartoffel-Fahrt nicht viel Erfolg gehabt, er hat nur zwei Centner mitgebracht. – Morgen soll es wieder mal etwas Butter geben.
Es geht mir heute wieder schlechter, wäre morgens am liebsten liegen geblieben. Gleichwohl habe ich Vormittags das neue Bild erheblich vorwärts gebracht. Nach Tisch habe ich dafür fast drei Stunden lang im Bett gelegen u. geschlafen.
Hans Brass: TBHB 1946-06-15. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-06-16_001.jpg&oldid=- (Version vom 6.12.2024)