Bild vorgenommen, das ich vor meiner Erkrankung malte, bzw. als ich bereits krank war. Ich habe es noch einmal überarbeitet u. ihm stärkere Kontraste gegeben. Es sieht jetzt besser aus. – Sodann habe ich eine Holzplatte zurechtgeschnitten, auf die ich die gelben Narzissen malen möchte, die ich während der Krankheit gezeichnet habe. Ich werde das Bild auf die ungrundierte Holzplatte malen.
Martha ist nicht wohl, ging gestern schon am späten Nachmittag ins Bett u. blieb heute vormittag liegen, doch ist sie nachmittags wieder auf.
Das Nichtrauchen fällt mir doch recht schwer. Ich hatte gedacht, daß die ersten Tage am schwersten sein würden, doch ist das nicht der Fall. Ich rauche jetzt seit einer Woche nicht, aber das Bedürfnis ist jetzt viel stärker als zu Anfang.
Der einzige Apfelbaum, den wir haben, ist in diesem Jahre über u. über mit Blüten bedeckt, die eben grade aufgehen. Aber nun hat heute ein kalter Nordwind zu wehen begonnen, der sicher bis zum fünfzehnten anhalten wird u. Gefahr des Frostes mit sich bringt. Aber auch ohne Frost wird es keinen Insektenflug geben u. die Früchte werden nicht ansetzen.
Schlechte Nacht gehabt, wieder Urindrang, wahrscheinlich Wirkung des kalten Wetters.
Heute morgen das Narzissenbild angelegt. Plötzlich kam Martha von drüben ins Haus gestürzt mit dem Ruf: „Fritz kommt!“ – Er hat von Ribnitz aus bei der Post angerufen. Er wird versuchen, schnellstens rüber zu kommen, sodaß wir ihn stündlich erwarten können.
Bald nach 4 Uhr traf er ein. Er sieht gut aus, wenn auch sein Civil sehr zusammengestoppelt ist. Wir tranken Kaffee, da er in Ribnitz zu Mittag gegessen hatte u. er erzählte, – erzählte –, erzählte! – Er ist sehr viel reifer geworden, nicht mehr so verspielt, er hat Verantwortungsgefühl u. ein Bewußtsein von persönlicher Würde. Wir sind sehr glücklich, daß er nun wieder da ist. – Gott, der ihn in dieser ganzen Kriegszeit so gnädig behütet hat, sei Lob u. Dank! –
Fritz ist ganz der alte, nur viel reifer, verständiger u. ernster, was aber seinem Sinn für Humor keineswegs Abbruch tut. Es ist eine große Freude, ihn hier zu haben, ihn zu sehen, mit ihm zu sprechen. Er hat natürlich Mühe, sich in alles wieder einzuleben, womit aber nicht gesagt ist, daß er sich hier fremd fühlt. Er nimmt nach u. nach Besitz von den Dingen u. stellt fest, wie sehr alles ruiniert ist durch den langen Krieg. Es ist alles kaputt, denn in diesen Jahren ist ja nichts repariert worden, aber vieles ist verdorben.
Von Klaus hat er einen Brief mitgebracht, der erkennen läßt, wie dieser unglücklich veranlagte Mensch unfähig ist, mit dem Leben fertig zu werden. Ich habe diesen Brief sehr oft gelesen, aber ich weiß immer noch nicht, was ich ihm antworten soll, was ich ihm raten soll. Ich glaube, daß man ihm garnicht raten u. helfen kann, denn er befindet sich in einer völligen Verworrenheit. Man müßte ihn wohl völlig herausnehmen aus seinem Leben u. Beruf, ihn auf völlig neue Grundlage stellen; aber wie soll das geschehen, – u. würde es Zweck haben? Er erwartet immer noch persönliches Glück vom Leben, aber was er Glück nennt, ist keines.
Hans Brass: TBHB 1946-05-14. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-05-15_001.jpg&oldid=- (Version vom 27.11.2024)