tun, um diese Leute aus dem politischen u. wirtschaftlichen u. sozialen Leben auszuschalten. Es kann heute schon kaum einer eine Stellung bekommen, der nicht in der KPD. ist. Nachdem nun die Einheitspartei gegründet ist, wird das noch schlimmer werden.
Andererseits gehen die Engländer u. Amerikaner zur Offensive über. Nachdem sie früher bereits erklärt haben, daß diese Einheitspartei als eine neue polit. Partei anzusehen sei, die genehmigungspflichtig ist, wurde gestern im Hamburger Sender durchgegeben, daß diese neue Partei von ihnen nicht genehmigt werden würde. Einige SPD=Delegierte aus dem Westen, die sich an dieser Einheitspartei maßgeblich beteiligt u. sich in den Vorstand haben wählen lassen, sollen deshalb zur Rechenschaft gezogen werden. Es ist also damit der offene Kampf zwischen West u. Ost entbrannt. Hier bei uns wird nun die Vereinigung am 1. Mai demonstrativ gefeiert werden u. man muß die weitere Entwicklung mit Sorge verfolgen. Sobald diese Einheitspartei sich dazu stark genug fühlt, muß man damit rechnen, daß sie Gewaltmittel anwenden wird. Es ist die Möglichkeit gegeben, daß es zu einem Bruch kommen wird u. daß die Einheitspartei für Ostdeutschland einfach kurzer Hand die Sowjet=Republik ausrufen wird. Für England u. Amerika stehen damit die Früchte ihres Sieges auf dem Spiel. Sie haben gekämpft für freie Demokratie, gegen jede autoritäre Regierungsformn, u. sie stehen nun einer neuen, auf Rußland gestützten Diktatur gegenüber. Es ist undenkbar, daß sie kampflos sich davor zurückziehen werden.
Eine andere, nicht weniger gefahrdrohende Sache ist die nun beginnende Außenminister-Konferenz in Paris, welche die Friedenskonferenz vorbereiten soll, die am 1. Mai in Paris beginnen soll u. den Frieden mit den ehemaligen Vasallenstaaten Deutschlands zum Gegenstande hat. Es wird jetzt schon offen davon gesprochen, daß diese Außenminister-Konferenz wieder erfolglos sein kann u. daß es dann jedem der einzelnen früheren Vasallenstaaten überlassen bleiben soll, für sich einen Frieden zu schließen. Das würde dann tatsächlich die Auflösung der bisherigen Entente sein u. eine solche Entwicklung würde dann auch die gewaltsame Lösung in Deutschland selbst begünstigen. Es sieht also mehr als düster aus auf der ganzen Linie.
Eben, am frühen Nachmittag, kommt Frau Longard in einem ziemlich aufgelösten Zustand u. zeigt uns einen Brief des P. Beckmann, den sie heute morgen erhalten hat. Er teilt ihr darin mit, daß P. Drost morgen, am Dienstag nachmittag hier eintreffen wird, um seine Vorträge zu halten u. bis zum Sonnabend hierbleiben wird.
Es ist das in der Tat eine starke Zumutung. Diese Geistlichen sind derart weltfremd, daß sie garnicht begreifen, was das heißt. Dieser P. Drost ißt nämlich gewaltige Mengen u. er tut das höchst unbekümmert, woher man die Nahrungsmittel nimmt. Frau Longard sagte rund heraus, daß sie einfach nichts mehr hätte. Ganz abgesehen davon sind wir hier doch auch kein Gasthaus, daß wir jederzeit Gäste aufnehmen können, am wenigsten in dieser Zeit, von deren Not Herr P. Drost offonbar keine rechte Vorstellung hat. Dazu kommt, daß dergleichen doch irgendwie organisiert werden muß. Wir sind nun erst einmal dahin überein gekommen, daß P. Droßt bei
Hans Brass: TBHB 1946-04-29. , 1946, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-04-26_003.jpg&oldid=- (Version vom 24.11.2024)