leichter hätte; aber davon ist keine Rede. Der einziger Vorteil, den ich mit zunehmendem Alter habe, ist der, daß ich mißtrauischer gegen meine eigene Arbeit bin u. daß ich heute leichter u. rascher erkenne, was falsch ist. Früher gefiel mir immer das, was ich da entwarf, ausnehmend gut u. ich fing dann gleich mit Malen an, weil ich glaubte, alle Schwierigkeiten gelöst zu haben. Aber beim Malen traten dann langsam die Schwierigkeiten hervor, die ich vorher nicht gesehen hatte, u. nun war es immer eine furchtbar anstrengende Arbeit, die Komposition umzuändern. Meist war es garnicht möglich u. so blieben die Bilder unbefriedigend u. nur halb gelöst. Auch jetzt gefällt mir das, was ich mache, in der ersten Fassung meist sehr gut, denn es entspricht ja dem, was ich wollte; aber ich weiß heute, daß es deshalb noch längst nicht dem entsprechen muß, was das Bild will, ja, daß es dem sogar zumeist direkt widerspricht. Es kommt aber darauf an, was das Bild will, wenn man das nicht herausbringt, kann nichts daraus werden. Ich habe also die Erfahrung, daß man die erste Fassung erst stehen lassen muß, bis die eitle Freude am eignen Werk verklungen ist, erst dann beginnt die Stimme des Bildes hörbar zu werden, – u. diese Stimme protestiert meistens. Es kommt darauf an, diese Stimme zu verstehen, u. das ist eben das Allerschwerste beim künstlerischen Schaffen.
Gestern kam ein sehr netter Brief von Dr. Krappmann aus Kiel, der nun doch wohl eine Möglichkeit gefunden hat, in der Universität Kiel als Dozent Beschäftigung zu finden. Ferner eine Karte von Pater Drost, daß er am Mittwoch den 30. Januar um 11 Uhr Vorm. bei uns eine hl. Messe lesen wird, nachdem er vorher in Wustrow Gottesdienst gehalten hat.
Vom Kulturbunde bekam ich die Nachricht, daß ich nun endlich in die Sektion für bildende Kunst aufgenommen worden bin, ohne mich vorher der Jury zu unterwerfen.
Nachmittags evangelischer Gottesdienst in der Schule mit Pfr. Pleß. Er sprach wieder sehr gut, obgleich er den Inhalt des heutigen Evangeliums der Hochzeit von Kana bei weitem nicht erschöpfte. Er wußte nur zu sagen, daß das mit den Reinigungskrügen angedeutete jüd. Gesetz zwar seine Gültigkeit behalten, aber mit dem Geiste Christi gefüllt sei. Mir selbst ist es heute morgen sehr gut gelungen, dieses Evangelium auszuschöpfen u. was ich dazu gesagt habe, war bestimmt sehr viel inhaltsreicher. Mein Gedanke fand seinen Höhepunkt darin, daß Maria = Kirche mit ihrem Wort an den Speisemeister: „Tuet, was er euch sagen wird“ inmitten des Lärms dieser weltlichen Hochzeit einen stillen Raum des Aufmerkens u. der Sammlung schafft, in dem dann die geheimnisvolle Hochzeit Christi mit den Gläubigen vor sich geht. –
Nach dem Gottesdienst kam Margot Seeberg mit zu uns u. das Gespräch kam darauf, daß die jungen Menschen in Deutschland offenbar mit Recht keine Hoffnung sehen, den Neuaufbau Deutschlands für möglich zu halten, solange die gegenwärtigen Zustände der Besatzung u. des Fehlens jeder Regierung andauern. Anstatt Demokratie wird dadurch der heimliche Nazigeist wieder gestärkt. Dasselbe schreibt Dr. Krappmann. Er zitiert den Monolog Hamlets: „Sterben! – Schlafen! – Nicht mehr sein! – Im Schlaf dem Herzweh ein Ende bereiten u. den tausend Bedrängnissen des irdischen Lebens!“ – Ja, das ist wohl die Stimmung sehr weiter Kreise in Deutschland u. so viel man hört, scheint die Selbstmordwelle in Deutschland noch längst nicht abebben zu wollen, im Gegenteil! – Auch Krappmann
Hans Brass: TBHB 1946-01-19. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-01-20_001.jpg&oldid=- (Version vom 5.11.2024)