jedoch nur zu dem Zweck, demokratische Grundsätze zu erlernen. Nach erfolgter Schulung wird er seinen Besitz wieder übernehmen. Auf dem Gut ist kein Pferd, keine Kuh u. kein Schwein fortgekommen, alles ist wie vorher. Der junge Schütz hat als entlassener Soldat von den Engländern Bezugsscheine über einen neuen Zivilanzug u. Wäsche erhalten u. ist vollständig neu eingekleidet. – So ist es bei den Engländern!
Martha ist fieberfrei, aber noch keineswegs gesund. Sie war über Mittag auf, hat sich dann aber bald wieder von selbst hingelegt. – Bütow war bei ihr u. berichtete von seiner Reise nach Berlin, von der er etwas Ware von der Firma Fischer + Co mitgebracht hat. Martha hatte ihm ein Päckchen für Anneliese mitgegeben, aber der Zug wurde etwa 50 km. vor Berlin wieder einmal von den Russen total ausgeraubt u. so ging auch das Päckchen verloren. Justus Schmitt hatte, als er kürzlich hier war, acht Koffer gepackt u. als Frachtgut nach Bln. geschickt. Es war alles darin, was Schmitt's an Garderobe, Leib-und Hauswäsche besaßen. Auch dieser Zug wurde ausgeraubt u. alle acht Koffer gingen verloren. – So ist es bei den Russen.
Anneliese sandte durch Bütow einen Abschiedsbrief, geschrieben Ende März 1945 an Martha durch Anneliese. A. hatte diesen Brief bisher zurückgehalten. Jetzt, wo sie glaubt, daß Kurt lebt, schickt sie ihn. Der Brief ist sentimental, enthält Unsachlichkeiten u. dokumentiert unauslöschlichen Haß gegen mich, indem er mich auch in diesem Augenblick der ziemlich sicheren Todesaussicht mit keinem Worte erwähnt. Dagegen tut er so, als hätte er früher Fritz u. Ruth materiell unterstützt u. er drückt seine Befriedigung aus, daß das nun nach seinem Tode nicht mehr nötig sein würde. In Wirklichkeit ist davon garkeine Rede. Es entspringt das seinem krankhaften Geltungsbedürfnis, aus dem allein sich auch der Haß gegen mich erklären läßt. „Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern!“ – So nett der lange Brief von Anneliese ist, den sie Bütow mitgegeben hat, so deprimierend sind diese wenigen Zeilen. –
Im Radio hörte ich Beethovens Heroika. Sehr, sehr schön!
Den richtenden Christ=König habe ich nun in Bleistift in größerem Format gezeichnet.
Die Zeichnung zum Christus-Bilde hat mir heute sehr schwere Arbeit gemacht. In größerer Fassung ergab sich, daß die ganze Komposition geändert werden mußte. Ich arbeitete den ganzen Vormittag daran, ohne zu einem Resultat zu kommen u. war schon fast verzweifelt, als dann Mittags endlich die Lösung sich ergab. Um 2 Uhr war ich im Prinzip fertig. Es sind noch Kleinigkeiten zu verbessern, aber im großen Ganzen kann es nun so bleiben. Diese Zeichnung kann nun erst eine ganze Weile stehen bleiben, damit ich sehe, ob sie wirklich stichhaltig ist.
Die kleine Leinewand für das Blumenstück, das ich am hl. Abend, bzw. Nachmittag, gezeichnet habe, habe ich heute grundiert. Ich hatte dafür eben noch Grundierfarbe. Morgen muß ich zu Gräff gehen u. ihn neue Grundierfarbe machen lassen. Hoffentlich hat er noch Tafelleim, sonst bin ich aufgeschmissen. Ich werde an Kausels schreiben, die vielleicht noch Tafelleim haben, aber bis ich ihn bekomme, vergehen 3 – 4 Wochen.
Martha geht es wieder besser, wir aßen heute wieder im Seezimmer zu Mittag u. auch Abends im Wohnzimmer u. Atelier. Dafür fühle ich mich selbst seit einigen Tagen
Hans Brass: TBHB 1946-01-15. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-01-16_001.jpg&oldid=- (Version vom 5.11.2024)