in Ribnitz, von wo er erst spät zurückkam. Er rief dann aber wenigstens gleich an u. ließ sich von mir ein Krankheitsbild geben. Ich hatte grade vorher das Fieber gemessen, es ergab 38,1°, also immerhin eine kleine Senkung gegen heute Mittag. Es läßt sich eben noch nicht sagen, ob es sich um eine gewöhnliche Halsentzündung handelt, oder um Diphterie, die ja momentan in der ganzen Gegend grassiert. Dr. M. wird morgen früh herkommen, unsere Andacht für morgen habe ich abgesagt. – Die Aerztebesprechung in Ribnitz soll der Fleckfiebergefahr gegolten haben. Diese Krankheit grassiert ebenfalls, aber unsere Gegend ist bisher verschont geblieben. – Martha selbst ist recht geduldig, ich habe ihr zum Abend zwei Tabletten gegeben, da sie auch über Kopfschmerzen klagt.
Draußen heftiges Schneetreiben bei scharfem Nordwind u. leichtem Frost. Dr. Meyer war bis jetzt, Mittags, noch nicht hier. Es wird ihm schwer fallen, herzukommen. Das Fieber ist zum Glück zurückgegangen, heute früh 36,9° u. Mittags 36,8°. Appetit war nicht schlecht. An Fritz geschrieben. –
Dr. Meyer war mit seinem Schimmel hier, brachte seine Frau mit. Untersuchung ergab keine Diphterie. Gott sei Dank. Martha soll aber noch drei Tage im Bett bleiben.
An Ruth geschrieben.
Marthas Fieber scheint vorbei zu sein. Heute früh hatte sie noch 37,2°, aber mittags 36,8° u. abends nur noch 36,3°. Sie aß mit Appetit u. fühlt sich wohl. Wenn es morgen ebenso ist, kann sie über Mittag aufstehen, da vorher das Haus noch zu kalt sein wird. Es scheint nämlich so, als wollte es in der Nacht recht kalt werden, es ist klarer Himmel, der Mond scheint hell auf den Schnee.
Mein Bild habe ich heute ziemlich fertig gemacht, ich denke, daß ich morgen die letzten Pinselstriche machen werde. Es ist gut geworden, ein alttestamentlicher Prophetenkopf. Das Bild hat mich sechs Tage in Anspruch genommen, weniger, als ich dachte.
Inzwischen habe ich eine allererste, rohe Skizze zu einem Bilde gemacht, das vielleicht eine große Sache werden kann: Christ=König als Richter, Brustbild, aber überlebensgroß. Ich wurde dazu angeregt durch eine Fotopostkarte, die Ruth mir zu Weihnachten schickte. Sie ist das Abbild eines Alabaster-Reliefs aus dem 14. Jahrh., wahrscheinlich englischen Ursprungs, in der Kirche St. Maria zur Wiese in Soest u. stellt die hl. Dreifaltigkeit dar. Gott=Vater, sitzend, hält zwischen den Knieen das Kruzifix mit dem Gekreuzigten, über dem die Taube schwebt. Der Kopf Gott-Vaters mit einer Krone u. geschlossenen Augen u. zum Schwur erhobener rechter Hand während die Linke auf dem Kruzifix ruht, ist von wunderbarer Ruhe u. Majestät.
Letzte Hand an den Prophetenkopf gelegt. Keilrahmen für drei neue Bilder mit Leinewand bespannt. Schütz-Niehagen war hier, er will Koks liefern, braucht aber Schuhe für sich u. seine Frau. Erzählte von seinem Sohn, der bei Lübeck unter englischer Besatzung auf einem Gut arbeitet, dessen Besitzer zwar PG., aber kein aktiver Nazi war. Dieser ist von den Engländern verhaftet,
Hans Brass: TBHB 1946-01-12. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-01-13_001.jpg&oldid=- (Version vom 4.11.2024)