mir große Freude macht. Heute habe ich das neue Bild angefangen, die Fortführung des „Melchisedeks“, aber diesmal ganz als Vision.
Von Landrat in Rostock erhielt ich vor einigen Tagen endlich Die Bestätigung, daß ich von den Geschäften des Bürgermeisters frei sei.
Im Monheim'schen Hause sind nun doch wieder neue Russen. Diese Plage hört nicht auf, aber in Wahrheit merkt man wenig von ihnen.
Der engl. Sender gibt bekannt, daß am 1. Mai die Friedensverhandlungen beginnen sollen, vermutlich in Paris. Damit hätte denn also der Krieg sieben Jahre gedauert. In London tritt heute die erste beratende Versammlung der Vereinten Nationen zusammen.
Nachdem die Sozialdemokraten im amerikanisch besetzten Gebiet den von Berlin betriebenen Zusammenschluß der SPD. u. der K.P.D. bereits vor einigen Tagen für sich abgelehnt haben, haben nun auch die Sozialdemokraten im englisch besetzten Gebiet dasselbe getan. In Berlin dagegen ist dieser Zusammenschluß Tatsache, – was die Mitglieder dazu freilich sagen, erfährt man nicht. Es ist das ein prächtiges Beispiel für die Demokratie in der russischen Zone, es wird genau wie bei Hitler einfach befohlen u. die Mitglieder haben zu gehorchen. „Führer befiehl, wir folgen“.
Ich habe neuerdings das unheimliche Gefühl, als wäre meine angebliche Blinddarm-Entzündung damals doch eine Fehl-Diagnose von Dr. Lasch gewesen. Es mag ja gern sein, daß der Blinddarm etwas entzündet gewesen ist, doch war ich damals schon nicht sehr überzeugt von der Diagnose. Ich glaube, daß die großen Schmerzen, die ich so urplötzlich bekam, doch von Nierensteinen herrührten u. daß diese Sache eben mit der Operation durchaus nicht behoben ist. Zuweilen, z.B. gestern Abend, fühle ich in derselben Gegend wie damals etwas, als ob da was nicht in Ordnung wäre. Ich würde mich nicht wundern, wenn sich diese Sache wiederholen würde, was dann freilich ein großes Kreuz wäre. Es mag schon sein, daß mir Gott dergleichen zugedacht hat zur Sühne.
Heute kam Brief Nr. 6 von Fritz, geschrieben am hl. Abend. Der arme Kerl macht sich noch Sorgen um uns, er stellt sich unser Leben sehr trübselig vor, was es doch garnicht ist. Er selbst hat den Hl. Abend still u. beschaulich im Lager verbracht, nachdem der Caritas-Verband in Freiburg allen Gefangenen eine Weihnachtsbescherung bereitet hat u. der Direktor des Verbandes eine Ansprache gehalten hat. Dieser Caritas-Verband scheint nach allem, was Fritz schreibt, Erstaunliches in der Gefangenen-Fürsorge zu leisten – u. dennoch schimpfen die Gefangenen, wie er schreibt, auf die Kirche. – Auch von anderen Leuten hat Fritz Päckchen bekommen: von Frau Baronin v. Wolff aus Hinterzarten u. deren Tochter Maria Wendelstadt. Es scheint, daß da ein tieferes Interesse vorliegt. Am hl. Abd. waren auch die beiden Lagerärzte eine Stunde bei ihm u. brachten 2 Fl. Wein mit u. Fr. schreibt, er rauche nun eine Cigarre u. denke dabei an mich, wie gut mir diese Cigarre schmecken würde. – Ein rührend guter Kerl!
In der Nacht hatte ich schwer unter Angstzuständen zu leiden wegen des neuen Bildes. Ich habe den Kopf sehr dunkel gemalt, während er in der Untermalung ursprünglich hell war. Aber es hatte mir eben ein dunkler Kopf vorgeschwebt. Schon den Melchisedech wollte ich dunkel malen, doch ist er dann hell geworden. Nun fiel mir in der Nacht ein, daß ich, wenn der Kopf dunkel ist,
Hans Brass: TBHB 1946-01-09. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-01-10_001.jpg&oldid=- (Version vom 4.11.2024)