kürzlich erst angefallen, haben ihm das Rad, den Mantel u. die Versehtasche abgenommen, haben ihm den Oberarm ausgekugelt u. gebrochen. Auch Schw. G. kann in Barth nach Dunkelwerden keine Krankenbesuche machen, weil die Gefahr zu groß ist, angefallen zu werden.
Heute erzählt man sich hier, daß Barth für jeden Verkehr gesperrt worden sei, weil eine gefährliche Seuche ausgebrochen wäre. Eine Bestätigung dafür liegt noch nicht vor, aber nach dem, was Schw. G. schreibt, scheinen die Verhältnisse dort ja weit schlimmer zu sein als hier bei uns oder auch in Ribnitz.
Heute früh um 1/2 8 Uhr ist P. Drost wieder abmarschiert, nachdem er gestern Nachmittag nochmals einen Vortrag über religiose Fragen bei Margot Seberg vor den sensationsbegierigen Villenbewohnern gehalten hat. Wir waren wegen seines Rückmarsches in Sorge, weil es gestern Abend stark schneite, aber heute früh lag kein Schnee mehr. Dennoch wird der Rückweg für ihn schwierig gewesen sein, da es überaus matschig draußen ist u. er kein ordentliches Schuhzeug hat. Er aß gestern noch zu Abend bei uns u. wir saßen bis 11 Uhr zusammen.
Ich fing heute Vormittag das neue Bild an, das sieghafte Gelb. Nach einer Anregung von P. Drost könnte man das Bild auch sehr treffend mit: „Apokalyptischer Einbruch“ bezeichnen, dieser Titel hat eine religiöse Färbung u. das wäre gut.
Von Fritz bekamen wir endlich wieder einen Brief Nr. 4. vom 2. u. 4. Dezember, also seinem Geburtstag. Brief Nr. 3. fehlt noch. Der arme Kerl hat es nicht sehr gut. Er hat unsere Briefe noch nicht bekommen, aber er bekam einen Brief von Ruth, in welchem sie Briefe von uns beigelegt hat. Er freute sich, wenigstens unsere Handschrift zu sehen. Er hat einen neuen Lagerkommandanten, einen 20jährigen Leutnant, der aus der franz. Widerstands-Bewegung hervorgegangen ist u. ein Deutschen-Feind ist. Das trägt natürlich nicht zu Fritzens Wohlbefinden bei u. er leidet sehr unter seiner Sehnsucht nach uns.
Von Frau Dr. Petersen-Berlin bekamen wir ebenfalls einen Brief, der vom Glück durchleuchtet ist. Sie lebt nun ganz im Glauben u. es ist wunderbar, wie dieses Glück alle sonstige Not überstrahlt, sodaß diese überhaupt keine Erwähnung findet.
Gestern Abend Max u. Carmen Grantz. Er hat eine Aufforderung nach Hamburg erhalten, wohin das Reichsbank-Direktorium anscheinend übergesiedelt ist.
Heute früh keine Andacht, dafür hl. Messe im Radio. An Fritz geschrieben.
Gestern Abend Brief von Ruth mit einem ersten, eigenhändig geschriebenen Briefchen von Ortrun. Ruth's Brief wie immer überaus herzlich u. gut. Sie hat besonders in diesem verflossenen Jahre viel gelernt.
Am Bild gearbeitet, das sehr schön wird. Das Licht von oben ist klar u. durchsichtig, hoffentlich wird sich dieser Einbruch von Gnade u. Licht im neuen Jahre verwirklichen.
Die Moskauer Außenminister-Konferenz scheint nach dem, was der amerikan. Außenminister im Rundfunk erzählt hat, tatsächlich ein Erfolg gewesen zu sein u. das
Hans Brass: TBHB 1945-12-28. , 1945, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-12-29_001.jpg&oldid=- (Version vom 4.11.2024)