dürfte dann in der Tat den Untergang der ganzen civilisierten Welt bedeuten, – aber wohl auch Rußlands selbst. Es sind das grauenvolle Perspektiven u. man denkt dabei nicht bloß an den Untergang des Abendlandes, sondern der ganzen Welt in ihrer jetzigen Gestalt. Es ist kein Wunder, daß die Staatsmänner der Westmächte mit höchster Sorge vor diesen Problemen stehen, aber eigenartig ist es, zu sehen, wie nur einige wenige Menschen wissend genug sind, um sich diese Sorgen überhaupt zu machen, die Masse der Menschen der ganzen Welt lebt sorglos dahin, obgleich die ganze Welt auf einem riesigen Pulverfaß sitzt.
Heute wurde das Bild fertig. Ich bin sehr zufrieden. Grade eine Woche lang habe ich daran gemalt, doch muß man dazu rechnen, daß ich das Bild ja schon in kleinem Format u. unzureichend im vorigen Herbst gemalt habe u. außerdem in den täglichen langen Dunkelstunden reiflich durchdacht habe.
Frau v. Achenbach war bei Martha u. hat nun endlich erklärt, warum ihr Mann sich so eigenartig benimmt. Als nämlich im Frühjahr die Anordnung herauskam, daß alle Menschen, die nicht nach Ahrenshoop gehören, den Ort verlassen müßten, habe ich natürlich auch Frau v. A. eine Aufforderung zugehen lassen, Ahrenshoop zu verlassen. Als sie dieser Aufforderung nicht nachkam, habe ich das mit Stillschweigen übergangen u. so getan, als hätte ich es nicht bemerkt. Herr v. A., anstatt diese meine freundliche Haltung anzuerkennen, ist vielmehr tödlich beleidigt, daß ich damals seine Frau, – er selbst war noch nicht hier –, überhaupt aufgefordert habe, Ahrenshoop zu verlassen. Ich glaube, daß dieser Herr damit vollauf gekennzeichnet ist.
In der Christlich=Demokratischen=Union (CDU) ist nun der erste, große politische Streit ausgebrochen. Die beiden Vorsitzenden dieser Partei waren Hermes u. Dr. Schreiber. Beide Herren haben sich als Gegner der Bodenreform bekannt, ohne daß die Partei selbst ihnen gefolgt ist. Da die Vorsitzenden dennoch ihren Standpunkt weiter vertraten, hat die Parteiseele zu kochen begonnen u. man hat die beiden Vorsitzenden abgesägt. Gestern Abend wurde nun im Rundfunk kein gutes Haar an den beiden gelassen – natürlich im Berliner Rundfunk. Die Gegnerschaft gegen die Bodenreform wurde als Ausfluß einer erz=reaktionären Gesinnung hingestellt, ja fast als Faschismus u. es wurde Hermes u. Schreiber vorgeworfen, sie hätten die CDU zum Hort der Reaktion u. zum Schlupfwinkel für verkappte Faschisten gemacht.
Es ist ganz gut, daß es so gekommen ist. Die Partei bemüht sich nun in ganz unwürdiger Weise um die Gunst der Kommunisten u. versichert eifrig, daß sie immer für die Bodenreform gewesen sei. Herr Hermes u. Herr Schreiber verschwinden vorläufig in der Versenkung, aber man weiß wenigstens, daß da zwei Männer sind, welche ihre eigene politische Ueberzeugung u. den Mut haben, dieselbe zu vertreten. Sie werden eines Tages wieder auftreten, dann aber hoffentlich ohne Betonung einer religiösen, christlichen Richtung. Diese beiden Männer werden noch viel zu sagen haben. Was aber die Partei jetzt noch zu sagen hat, ist unerfindlich, sie unterscheidet sich von der Liberal=Demokratischen Partei nur noch dadurch, daß die Mehrzahl ihrer Mitglieder Sonntags in die Kirche geht, wobei es noch fraglich ist, ob sie es wirklich tut.
Hans Brass: TBHB 1945-12-19. , 1945, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-12-20_001.jpg&oldid=- (Version vom 2.11.2024)