den er von Fritz bekommen hat (ich notierte es schon gestern). Er schreibt darin, wie er im Lager Freiburg verpflegt wird. Es wirkte auf uns wie eine Beschreibung des Schlaraffenlandes. –
Liebers hat gestern wirklich den neuen Akku gebracht, sodaß wir nun eine zwar schwache, aber doch hinreichende Beleuchtung haben.
Gestern Abend waren Dr. Max Grantz u. Carmen da. Er war aus Berlin zurückgekehrt, wo man ihm Arbeit als Architekt angeboten hatte, doch hat er zunächst nichts angenommen, weil es in Bln. kein Heizmaterial gibt u. er nicht frieren will, olgleich sonst die Lebensmittellage in Bln. besser ist, als hier. Er erzählte, daß die Stadt allmählich anfängt, etwas aufgeräumter auszusehen. Die Verkehrsmittellage hat sich sogar sehr erheblich verbessert, auch Autos sieht man wieder viele. Es regt sich neues Leben, aber dennoch ist die Lage sehr trostlos.
Heute brachte mir Gräff Grundierfarbe. Ich will heute Nachmittag die Bilder grundieren u. Montag anfangen, zu malen. Auch Papenhagen hat mir den fünften Keilrahmen gebracht.
Der Frost hat sich verstärkt, es ist auch im Hause recht kalt, da ich trotzdem wenig heize.
Justus Schmitt sandte mehrere Exemplare des „Tagesspiegel“, die beste Zeitung, die es z. Zt. gibt.
Der Frost hat sich wieder verstärkt, jedoch ist zu hoffen, daß die Wetterlage sich wieder ändern wird, wenigstens nach dem, was der Berliner Sender darüber sagt.
Die Andacht war heute wieder gut besucht, da eine Frau mit zwei Kindern von den in Althagen neu eingetroffenen Flüchtlingen da war. Sie wohnt bei Koch-Gotha u. ist voll Lobes über die Hilfsbereitschaft der Frau Koch. Sie stammt aus Schlesien. – Frl. Nickstadt war nicht da, weil ihr Vater, der Breslau mit verteidigen mußte u. seitdem verschollen war, nun doch plötzlich aufgetaucht ist u. in Ribnitz ist. Er soll in einem überaus erschöpften Zustande sein, sodaß Frl. N. u. ihre Mutter heute mit einem Ackerwagen nach R. gefahren sind, um ihn zu holen. – Frau Degner, die sich schon vor 3 Wochen die Füße mit heißem Wasser verbrüht hat, ist auch immer noch nicht wieder in der Lage, zur Andacht zu kommen. Die Aermste erleidet viele Schmerzen, doch soll es nun besser gehen.
Gestern habe ich die Leinewände grundiert. Die große Leinewand ist leider nicht ganz glatt geworden, weil darin zweierlei Material verwebt worden ist, daß verschieden aufgetrocknet ist. Ich habe versucht, den Rahmen auszukeilen u. es ist auch besser geworden, aber nicht einwandfrei. Ich hoffe, daß sich die Leinewand während des Malens langsam von selbst glattziehen wird.
Heute habe ich endlich mit Malen begonnen. Ich habe zuerst das große Bild angefangen: flammend gelber Himmel, Meer – Kobaltblau – violett – gelb, Vordergrund gelb – rot – bis ins Braun. Davor über das ganze Bild hin ein Ast einer Krüppelkiefer. Das Bild ist in seiner Komposition verblüffend einfach u. so durchdacht, daß jeder Pinselstrich sitzt. Die Wochen, in denen ich täglich fast stets von 5 – 9 Uhr im Dunklen gesessen habe u. über dieses u. die anderen Bilder nachgedacht habe, machen sich jetzt
Hans Brass: TBHB 1945-12-07. , 1945, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-12-08_001.jpg&oldid=- (Version vom 1.11.2024)