Halunke weit mehr gegen mich als Bürgermeister gestänkert hat, als ich angenommen hatte. Sie sagte: „Wenn Sie nicht freiwillig das Amt niedergelegt hätten, hätte Budde Sie bestimmt dazu gezwungen“. Sie sprach auch davon, daß Budde der Denunziant im Falle Küntzel gewesen sei u. sie meinte, daß das ganze Dorf dieser Meinung sei. Sie konnte nicht genug Worte finden, ihrer Verachtung gegen diesen Mann Ausdruck zu geben – u. Herr Dr. Ziel, so meinte sie, sei der beste Freund von B. u. stecke bei all diesen Sachen mit ihm unter einer Decke. –
Dieser Dr. Ziel hat übrigens zu Frau Schuster gesagt, daß er gegen mich Anzeige erstatten wolle wegen Begünstigung der Nazis. Es will sich offenbar rächen für die Sache Triebsch, in der ich ihn der gemeinen Denunziation überführt habe. –
Gestern bekamen wir Nachricht von Otto Wendt aus Hamburg. Er sandte die Abschrift eines ausführlichen Briefes von Fritz mit, der aber inhaltlich nichts Neues enthielt.
Wir haben prachtvolles, warmes Wetter. Im Garten blühen noch Rosen. Wir sparen Heizung. Hoffentlich bleibt es noch recht lange so. – Wir werden im Hintergarten noch eine Pappel schlagen lassen, um Holz zu bekommen. Nachdem schon die beiden großen Rüstern vorm Hause in den Ofen gewandert sind, ist dies der dritte Baum, der diesen Weg geht.
Bei Gräff sah ich mir dessen Grudeofen an. Er zeigte mir die Mechanik. Alles ist sehr schön, aber er hat keinen Grudekoks u. wenn er welchen hat, dann verursacht dieser Ofen einen furchtbaren Staub. Außerdem ist er teuer im Betrieb. –
Die Beerdigung von Hans Krull war ein ziemliches Ereignis. Es waren sehr viele Menschen da. Pastor Müller sprach überaus schlecht u. trocken, eine sehr große Enttäuschung. Wenn einmal der Pastor Pleß aus Prerow nicht mehr zum Gottesdienst herkommen wird, weil wir jetzt ja zu Rostock gehören, dann werden wohl nicht mehr sehr viele Leute am Gottesdienst teilnehmen. Bei Pastor Pleß ist es jetzt immer sehr voll; aber wegen einer Predigt von Pastor Müller würde auch ich mich nicht gern in der Schule auf der Schulbank herumquälen.
Herr Heyde hat uns einen Akku besorgt u. Herr Liebers hat ihn in Betrieb gesetzt; aber es stellte sich heraus, daß keine Säure darin war. Vorgestern hatten wir immerhin Licht, das aber bald nachließ, gestern war es derart kläglich, daß man dabei nichts sehen konnte. Liebers ist heute dabei, einen neuen Akku aufzustellen, der hoffentlich besser funktioniert. So werden wir wenigstens eine Notbeleuchtung haben. Es ist ja so, daß das Licht um 5 Uhr ausgeht u. erst um 9 Uhr wieder brennt, man sitzt vier Stunden im Dunklen.
Heute habe ich, bzw. Martha, meine schwarze Hose an den Sergeanten von Monheim verkauft. Er gab 450,– Mark in Alliiertem=Geld, 26 polnische Sloty u. 10 Tscherwonez. Wieviel das zusammen ist, weiß ich nicht. Die Hose war der Rest meines Smoking-Anzuges u. mindestens 20 Jahre alt, aber noch sehr gut, da ich sie sehr selten getragen habe. Der Sergeant versprach außerdem ein Stück Schweinefleisch, das er allerdings erst bringen will. Ich bin neugierig, ob er es tut.
Es ist über Nacht Winter geworden. Es ist seit heute früh 1° Kälte u. diese Temperatur hält sich auch jetzt um 2 Uhr noch auf gleicher Höhe. Es hat über Nacht u. heute Vormittag bei leichtem Ostwind geschneit u. die Kinder haben ihre Schlitten vorgeholt.
Vormittags an Fritz geschrieben, da ich sonst nichts tun kann. So schrieb ich schon heute diesen Sonntagsbrief. Dades haben in der Nacht geschlachtet u. haben uns ein schönes Stück Schweinefleisch abgegeben, das wir zum Sonntag braten werden. – Solche Dinge spielen heute eine bedeutende Rolle. – Otto Wendt schickte uns die Abschrift eines Briefes,
Hans Brass: TBHB 1945-12-06. , 1945, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-12-07_001.jpg&oldid=- (Version vom 31.10.2024)