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Seite:HansBrassTagebuch 1945-06-13 001.jpg

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Abgesehen von der Dummheit dieses Befehles, – da ja ein Fischer eben nur entweder mit seinem Seeboot oder mit seinem Boddenboot fahren kann u. nicht mit beiden zugleich, witterten wir sofort Unheil. Und mit Recht. Abends kamen unsere Fischer zurück u. erzählten, daß der Wustrower Kommandant von allen Althäger u. Ahrenshooper Fischern verlangt, daß sie von jetzt an ihre Boote u. Netze u. alles Geschirr in Wustrow stationieren u. nur noch dort fischen sollten. Wir werden auf diese Weise überhaupt keine Fische mehr bekommen u. Boote u. Netze werden wir nie wiedersehen. Unsere u. die Althäger Fischer waren über den Bodden nach Wustrow gefahren. Auf dem Rückwege sind sie von Booten überfallen worden, die angeblich aus Langendamm gekommen u. mit Marinesoldaten bemannt u. mit einem Maschinengewehr bewaffnet waren. Die Kerle sind in unsere Boote gestiegen u. haben sie nach Netzen durchsucht. Meyer hatte aber das Netz zuhause gelassen. Hebert hatte es gut versteckt, aber Konow aus Althagen ist dabei sein Zeesennetz losgeworden.

     Die Erschwerung des Verkehrs wird immer lästiger. Wer nach Ribnitz will, muß zu Fuß gehen u. von hier bis Wustrow wird man dauernd von Posten angehalten, die nach Passierscheinen fragen. Die Folge ist, daß wir alle Leute, die nach Wustrow oder darüber hinaus wollen, zum Kommandanten schicken zwecks Ausstellung eines Passierscheins bzw. damit er denselben unterschreibt. Wir stellen die Scheine selbst aus u. haben eine Dolmetscherin angestellt, die alle Scheine ins Russische übersetzen muß. Dem Kommandanten ist es lästig geworden, daß die Leute ihm die Bude einrennen u. als ich ihn gestern Abend auf der Straße traf, kam er mit in die BuStu., bzw. in das Zimmer 4 im kleinen Hause u. erklärte mir durch seinen kleinen Burschen, der etwas deutsch spricht, daß er die Absicht habe, von heute an jeden Vormittag von 10 – 12 Uhr in meinem Büro zu sitzen. Ich weiß nicht, ob er damit noch irgend eine andere Absicht verfolgt.

     Die Leute sagen mir, daß das Ostseebad Ribnitz u. Dierhagen geräumt werden müsse. Alle dort Wohnenden müssen nach Wustrow. Man sagt, es käme dort Artillerie hin. Auch haben die Russen erneut befohlen, daß die Verdunkelungs-Vorschriften weiter in Kraft bleiben, besonders nach der See hin. Offenbar ist also die Spannung zwischen Rußland u. den Westmächten nach wie vor sehr groß u. sie wird wohl nicht nachlassen bis zu der neuen Konferenz zwischen Stalin, Churchill u. dem Amerikaner, die in den nächsten 6 Wochen stattfinden soll. –

     Die Engländer sagen im Rundfunk, daß sie rund 2 Millionen 800000 deutsche Gefangene im Westen gemacht hätten – wohl mit den Amerikanern zusammen, u. daß sie von diesen nur 600000 als Arbeiter zum Aufräumen behalten wollten, alle übrigen werden sie bald entlassen. Damit können wir die Hoffnung haben, daß auch Fritz bald entlassen werden wird. Es wäre das ganz herrlich.

Mittwoch, 13. Juni 1945.     

     Gestern Abend sind unsere Kosakken ins Kurhaus umgezogen. Man sagt, daß in Althagen wieder Bettzeug u. Einrichtungsgegenstände neu requiriert worden seien, sodaß anzunehmen ist, daß wieder neue Truppen in die Batterie kommen. Dagegen ist die Räumung von Ostseebad Ribnitz u. Dierhagen wieder rückgängig gemacht worden.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1945-06-12. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-06-13_001.jpg&oldid=- (Version vom 3.9.2024)