Andacht: Martha, Grete, Frau Gantz. Nachher an Fritz geschrieben.
Die Angloamerikaner dringen weiter auf Calais vor u. haben in breiter Front die belgische Grenze überschritten, sie sind weiter im Anmarsch auf unseren alten Westwall, die sog. Siegfriedlinie. In Italien haben sie am Ostflügel unsere Verteidigungslinie durchbrochen, sodaß nun der Einmarsch in die Po-Ebene zu erwarten ist.
Die slowakische Armee hat sich den Aufständischen angeschlossen, Herr Dr. Tiso wird sich wohl nach Berlin in die Reichskanzlei begeben müssen, wo er ja zuhause ist. – Der deutsche Rundfunk soll heute früh bekannt gegeben haben, daß „das tapfere Volk der Finnen“, wie Herr Hitler früher zu sagen beliebte, seine Beziehungen zu Deutschland abgebrochen hat, womit sie den Beweis erbracht haben, daß sie wirklich tapfer sind. Von allen Vasallenstaaten ist nun bloß noch Ungarn übrig u. vertritt „die europäische Front“. –
Ich hörte, daß Bremen durch die letzten Angriffe furchtbar mitgenommen sei. Ob dort eine Landung beabsichtigt wird?
Nachmittags an Dr. Sinn u. Paul Küntzel geschrieben. Mit Otto Wendt telephoniert, er glaubt, Farben u. Pinsel besorgen zu können. An das Arbeitsamt geschrieben.
Die Russen verhalten sich auffällig still, auch in Rumänien, an der bulgar. Grenze, scheinen sie jetzt nicht weiter zu gehen. Nachdem sich in Bulgarien eine neue Regierung gebildet hat, warten sie vielleicht die bulg. Waffenstillstandsverhandlungen in Kairo ab, um dann durch Bulgarien auf die Dardanellen los zugehen.
Abends stehen die Angloamerikaner etwa 60 km. vor Brüssel. Eisenhower hat eine Botschaft an die Bevölkerung Westdeutschlands erlassen, die vor Luftangriffen warnt. Die Leute sollen aufs Land gehen. Aber wie sollen sie das? Diese Luftangriffe werden fürchterlich werden.
Es bestätigt sich, daß Finnland die deutschen Truppen aufgefordert hat, das Land sofort zu verlassen.
Gestern war Frau Krappmann bei Martha u. erzählte, daß ihr Mann nach Oslo führe, um dort einen Vortrag zu halten. Welche Wichtigkeit!
Die Amerikaner haben Brüssel kampflos besetzt u. stehen dicht vor Antwerpen.
Vormittags das Verkündigungsbild abgemacht u. auf Pappe gelegt u. in Rahmen getan. In Marthas Schlafzimmer gehängt, dafür den Melchisedech ins Wohnzimmer. – Neues Papier aufgezogen. Nachmittags das neue Bild, den Engel, aufgezeichnet. Diesmal ist das Format etwas zu klein, aber ich muß mich nach dem Papier richten. Das Bild würde gern ein größeres Format vertragen. –
Gegen Abend war Dr. Krappmann da, nach ziemlich langer Zeit. Er sah meine Bilder mit sehr großem Interesse u. war auch sonst nett. Er wollte sich verabschieden, ehe er nach Oslo fährt. Er wird vom 9. – 16. 9. fort sein u. hat Sorge, daß die Ereignisse ihn in dieser Zeit überraschen könnten.
Hans Brass: TBHB 1944-09-03. , 1944, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-09-03_001.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2024)