Rücktritt Ryti's. Dieser wird damit begründet, daß Ryti die Konzentrierung der ausübenden Gewalt sowohl auf dem Gebiete der militärischen als auch auf dem der Zivilverwaltung in einer Hand gewünscht habe. Das klingt für den ahnungslosen Leser so, als handele es sich um eine finnische Art der totalen Mobilisierung u. Konzentration aller Kräfte auf den Sieg. –
Auch Rommels Verwundung infolge eines Luftangriffes, die bereits am 17. Juli erfolgte, wird heute zugegeben, jedoch heißt es, er sei mit dem Kraftwagen verunglückt. Sein Befinden soll befriedigend sein. –
Als weitere Person, die sich an der Generalsrevolte beteiligt hat, spricht man jetzt auch von Feldmarschall v. Witzleben. Heute wieder ausführlicher Brief von Fritz. Seine Truppe zieht atemlos im Lande umher, ohne irgend etwas zu erreichen. Die Treibstoffknappheit ist bereits so groß, daß kürzlich Fahrräder beschlagnahmt wurden u. die Truppe auf Fahrrädern, anstatt auf Motorwagen, fuhr. Dieser Ausweg aber war ein Mißgriff, denn die meisten Räder waren minderwertig u. gingen kaputt. – Die Kampftaktik scheint sich geändert zu haben, indem die Gefangenen nicht mehr erschossen werden. Fritz klagt über den mangelhaften Geist in der Truppe, zwischen Offizieren u. Mannschaften besteht, wie er schreibt, eine Kluft, wie er es vordem nie erlebt hat. Das ist denn also „des Führers nationalsozialistische Volksarmee“ Besonders von den Aerzten schreibt er, daß sie einen guten Tag lebten u. möglichst wenig täten, die Arbeit überlassen sie den Sanitätsdienstgraden.
Heute habe ich das neue Malvenbild untermalt, – es verspricht, sehr schön zu werden.
Die Amerikaner finden offensichtlich bei ihrem Vormarsch durch die Bretagne nach Süden so gut wie keinen Widerstand. Es ist ein Spaziergang. Was sie dort an deutschen Truppen treffen, werden Formationen sein wie die, bei der Fritz ist, minderwertige Soldaten, minderwertige Offiziere, die wohl grade noch gegen Banden zu gebrauchen sind, aber nicht zum Kampf. Es scheint in der Tat so zu sein, daß die meisten dieser Soldaten sich kampflos ergeben, d.h. einfach überlaufen. Auf diese Weise stehen die Amerikaner heute schon dicht vor St. Nazaire u. haben damit die ganze Halbinsel praktisch abgeschlossen. Rommel wird sich nun entschließen müssen, ob es es wagen darf, seinen rechten Flügel zu schwächen u. Truppen zum linken Flügel zu verschieben. Er wird es wohl tun müssen, obgleich er damit dem linken Flügel kaum noch nutzen wird, dagegen aber seinen rechten Flügel gefährdet.
In Litauen scheinen die Russen ihren Vormarsch auf Tilsit zu konzentrieren u. nicht auf Königsberg, wie es anfangs aussah. Gelingt ihnen der Durchstoß nach Tilsit, dann haben sie diese ganze Armeegruppe Lindemann in zwei Kesseln eingekesselt, der eine nördlich Riga bis zum finnischen Meerbusen, der andere südlich davon bis Tilsit. – In Polen haben sie die Weichsel in breiter Front südlich Warschau überschritten, in Warschau selbst ist ein Aufstand ausgebrochen u. es scheint, daß die Aufständischen, die militärisch geführt werden, gute Erfolge haben. So wird sich Warschau nicht halten können. Uebrigens bestätigt sich, daß der Oberbefehlshaber Nord, Feldmarschall (oder Generaloberst?) Lindemann flüchtig ist u. daß Generaloberst Schörner, der bisher die Armeegruppe
Hans Brass: TBHB 1944-08-03. , 1944, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-08-04_001.jpg&oldid=- (Version vom 28.7.2024)