schweren Bombern anzugreifen. Vor einiger Zeit schon wurde gesagt, daß die Amerikaner einen neuen, schweren Fernbomber konstruiert hätten, welcher in Europa aber nicht eingesetzt werden solle, sondern nur im Pazifik. Wenn die Amerikaner die Japaninsel mit solchen Bombern angreifen, dann dürfte der Krieg dort sehr bald aus sein, denn die aus Papier u. Bambus errichteten Häuser der Japaner werden davon spurlos weggeweht werden. Gestern las ich denn auch schon in der DAZ. einen albernen Artikel darüber, daß Japan auf solche Angriffe bestens vorbereitet sei u. daß ihnen das garnichts ausmachen würde. Es ist albern u. gradezu verbrecherisch leichtsinnig, dergleichen zu behaupten. Der Kaiser von Japan wird es keinesfalls wie Herr Hitler darauf ankommen lassen, daß sein ganzes Land restlos zerstört wird, sondern er wird Frieden machen, wenn er die Aussichtslosigkeit des Widerstandes einsieht. Und ein solcher Friede, bzw. eine solche Niederlage Japans wird eine gewaltige Schockwirkung auf das gänzlich unvorbereitete deutsche Volk haben.
An den übrigen Fronten geht die Entwicklung weiter. Die Russen haben die Lettische Grenze überschritten u. gehen beiderseits der Düna vor. Dünaburg wird sich nicht lange halten können. Auch im Süden scheinen sie in Richtung Lemberg vorwärts zu kommen. In Italien haben die Polen unter angloamerikan. Führung Ankona genommen.
Eben besuchte mich Frau v. Guttemberg, der Martha gesagt hatte, ich würde ihr meine Bilder zeigen. Sie war sehr entzückt. Ich fragte sie, ob sie mir nicht Pinsel besorgen könnte. In Rostock wird sie dazu keine Gelegenheit haben, doch fährt sie jetzt, wie sie mir sagt, nach Prag, wo sie ausgestellt hat u. sie will versuchen, dort etwas zu bekommen. Dabei ist mir eingefallen, daß Erika Küntzel in Prag wohnt u. möglicherweise etwas für mich besorgen kann.
Vormittags kam Herr Söhlke zu mir in den Garten, als ich Schoten abnahm. Er erzählte aus Bln. Zur Kriegslage meinte er, daß die Engländer jetzt möglicherweise mit Gas anfangen würden, wenn wir diese planlose Beschießung mit den fliegenden Bomben nicht einstellen. Es würde das in der Tat die einzige Möglichkeit für die Engländer sein, sich dagegen zu wehren, zumal sie ja jetzt mit ihrer starken Luftüberlegenheit am längeren Hebel sitzen. Es ist ein furchtbarer Gedanke. –
Daß es in Japan übrigens bereits kriselt, geht daraus hervor, daß Tojo seines Postens als Generalstabs-Chef enthoben ist u. auch der Chef der Pazifik-Flotte wurde abgesetzt. Heute Abend steht im Rost. Anz., daß jetzt ganz Saipan in amerikanischer Hand ist. Tojo hat dazu eine Erklärung abgegeben, in der er gesagt hat: „Unser Kaiserreich sieht sich jetzt in einer Lage, die für unsere ganze Geschichte von höchster Bedeutung ist.“ Er sagt, daß es zur Verteidigung des Reiches nur einen Weg gäbe, nämlich, den Feind schnellstens zu schlagen u. den Sieg zu erringen u. er empfiehlt zu diesem Zweck absolute Todesverachtung. „Die Zeit für die entscheidenden Kämpfe ist jetzt gekommen.“ Wenn das ein Staatsmann öffentlich sagt, pflegt diese Zeit gewöhnlich schon vorüber zu sein. –
Bei Caen u. St. Lô haben die Engländer, bzw. Amerikaner, seit gestern einen neuen schweren Angriff laufen. Nach unseren Berichten bis jetzt vergeblich.
In Italien ist nun auch Livorno in der Hand des Feindes. Sie haben damit einen guten Hafen, ebenso in Ankona.
Hans Brass: TBHB 1944-07-19. , 1944, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-07-18_002.jpg&oldid=- (Version vom 27.7.2024)