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Seite:HansBrassTagebuch 1944-06-26 001.jpg

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Montag, 26. Juni 1944.     

     Ueber die große Seeschlacht zwischen Amerikanern u. Japanern östlich der Philippinen, die Seeschlacht bei Saipan, wie sie genannt wird, kann man kein klares Bild gewinnen. Beide Teile lügen offenbar. Indessen ist so viel gewiß, daß diese Schlacht ein überaus wichtiges Ereignis ist. Von Saipan aus sind sowohl Tokio wie die Philippinen mit Flugzeugen zu erreichen u. der Besitz dieser Insel bedeutet die Vorherrschaft. Sicher ist, daß es den Amerikanern vorerst gelungen ist, Truppen zu landen.

     Für uns hat nun anscheinend der Generalangriff an allen Fronten begonnen. Die Amerikaner kämpfen zwar noch in den Straßen von Cherbourg, aber die endgültige Eroberung dieses für sie so wichtigen Hafens kann nur noch eine Frage von Stunden sein. Zugleich wird gemeldet, daß vor der Ornemündung eine große Flotte von Kriegsschiffen u. Transportern in künstlichem Nebel liegen soll, sodaß jetzt wohl mit einer zweiten Landung gerechnet werden muß. In Italien nähern sich die Gegner der Stadt Siena. Die russische Offensive macht ebenfalls Fortschritte, Witebsk soll jetzt eingeschlossen sein mit einer Besatzung von 4 Divisionen.

     Mein Engelbild macht gute Fortschritte, ich habe heute den schwierigsten Teil, das untere Gewand, gemalt, welches sich in großen Linien in den Hintergrund hineinzieht. Es ist sehr gut gelungen.

     Von Fr. Salesia bekamen wir heute einen sehr lieben Brief, sie gedachte meines Namenstages.

Montag, 3. Juli 1944.     

     Vorgestern Brief von Fritz. Er schreibt von dauernden Kämpfen, bei denen sogar Panzer u. Flugzeuge eingesetzt werden mußten. Es wird von unseren Soldaten geplündert, ehe die Ortschaften niedergebrannt werden, deshalb ist die Ernährung mehr als gut u. reichlich. Gefangene werden nicht gemacht, Ueberläufer werden dem Sicherheitsdienst zur Vernehmung übergeben u. dann doch erschossen. Es scheint, daß wir also nichts gelernt haben u. dieselbe Dummheit machen, wie s. Zt. in Polen, wo man ebenfalls die Zivilbevölkerung drangsalierte, anstatt sie sich zu Freunden zu machen.

     Gestern im Kurhaus beim Mittagessen begrüßte uns Dr. Sinn u. seine Tochter mit deren Mann Syamken. Abends waren Herr + Frau Syamken bei uns. Ich machte eine Flasche Cognac auf, den wir noch von Fritz aus Frankreich bekommen hatten u. dank dieser Anregung entwickelte sich ein lebhaftes Gespräch, das unversehens bis 1/2 2 Uhr Nachts dauerte.

     Im Osten scheint sich eine neue Katastrophe vorzubereiten. Die Russen stehen dicht vor Minsk u. haben die Bahnlinien nach Wilna u. nach Brest-Litowsk bereits durchschnitten Es gibt also nur noch eine Rückzugsstraße nach Byalitsok Wir haben hohe Verluste an Toten u. Gefangenen. – In Italien ist Siena erobert worden, sodaß nun Livorno u. Florenz bedroht sind. In der Normandie hat sich die Lage noch nicht geändert, doch beginnen die Amerikaner nun den Angriff nach Süden auf der Cotentin-Halbinsel. Unsere Vergeltungswaffe, die nun amtlich den Namen V I hat, ist auch weiterhin in Wirksamkeit, was den Engländern gewiß äußerst unangenehm sein wird.

     Mein Engelbild geht der Vollendung entgegen.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1944-06-26. , 1944, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-06-26_001.jpg&oldid=- (Version vom 24.7.2024)